Wie Kreise zu Gesichtern werden

Männer, die auf Kreise starren

Im letzten Beitrag dieser Reihe habe ich einige positive Erfahrungen mit verschiedenen Unterrichtsformen geschildert. In diesem Beitrag geht es vor allem um Erkenntnisse zum Thema Disziplin und Selbstmotivation. Begleiten Sie mich auf meinem abschließenden Streifzug durch ein Semester virtuelle Vorlesungen.

Gestern war es endlich soweit, die Studierenden meines Schwerpunktes durften voller Stolz die Ergebnisse eines ganzen Semesters intensiver Arbeit präsentieren. Wie üblich hatten wir wieder einen echten Auftraggeber, Herrn Helber von der Firma hockeycorner (https://www.hockeycorner.de/). Die Studierenden sollten sich im Rahmen des vorlesungsbegleitenden Praxisprojektes mit einem neuen Geschäftszweig, der kundenindividuellen Bedruckung und Bestickung von Berufskleidung beschäftigen. Der Auftrag bestand aus folgenden Komponenten:

  1. Auswahl dreier verschiedene Zielgruppen, die für Kunden individuelle Berufskleidung in Frage kommen.
  2. Konkrete Bestimmung des Bedarfs, d. h. welche verschiedenen Kleidungsstücke kommen für die jeweiligen Zielgruppen in Frage? Welches Preisniveau kann man für die verschiedenen Kleidungsstücke verlangen? Darüber hinaus sollten die Teams herausfinden, wie hoch das Marktpotenzial auf Basis einer Stichprobe ist und wie sich der Markt generell darstellt (Wachstumsmarkt oder reine Ersatzinvestitionen).
  3. Sind die Zielgruppen bereit, für zusätzliche Dienstleistungen (Entwicklung eines Logos und eines Markenclaims) zusätzlich Geld auszugeben?
  4. Entwicklung von Logos/Markenclaims für die Zielgruppen und Einholung von Feedback zu den entwickelten Logos/Markenclaims von den Gesprächspartnern. Zusätzlich sollten die Teams evaluieren, ob die Zielgruppen überhaupt Logos/Markenclaims wollen.
  5. Entwicklung eines Flyers und zielgruppenspezifische Ansprachen auf Basis der Erkenntnisse aus der Marktforschung.

Männer die sich von Kreisen überraschen lassen.

Männer, die sich von Kreisen überraschen lassen

Obwohl die Corona-Krise einige Herausforderungen an Dozenten und Studierende stellt, gibt es doch wieder positive Überraschungen. Vor allem, was das Engagement der Studierenden anbelangt. Begleiten Sie mich im dritten Teil dieses Streifzug durch ein Semester virtuelle Vorlesungen.

Im letzten Beitrag habe ich etwas über die frustrierenden Erlebnisse mit virtuellen Vorlesungen erzählt, aber ich beschloss, mich davon nicht unterkriegen zu lassen. Die Testklausur war zwar katastrophal ausgefallen, aber wir waren mitten im Semester und es wäre doch gelacht, wenn wir nicht eine Vorgehensweise finden würden, die auf der einen Seite interaktiver ist und mehr Feedback zur Leistungsfähigkeit der Studierenden ermöglicht.

Ich muss zugeben, ich dachte kurz daran – wie einige meiner Kollegen – die Folien einfach zu besprechen, diese hochzuladen und damit formal den Unterricht abzuhaken. Allerdings bekam ich in einigen Gesprächen mit Studierenden mit, dass dies diejenige Alternative ist, die den Adressaten am wenigsten gefällt. Ich finde diese Vorgehensweise definitiv auch nicht sinnvoll. Dann kann ich gleich nur auf die zugrunde liegende Literatur verweisen. Das intensive Verarbeiten dieser Quellen zielführender als sich einfach von irgendjemanden berieseln zu lassen.

Entertainment oder Wissenstransfer?

In den eben genannten Gesprächen ermutigte ich einige Studierende, sich in meine Situation hinein zu versetzen und mir Vorschläge zu machen, wie die Probleme (Interaktion, Feedback, schweigende Mehrheit) in den Griff zu kriegen wären. Die Ergebnisse waren durchaus sehr spannend, gingen aber leider in erster Linie in Richtung Entertainment. In anderen Worten formuliert: wie bespaße ich mein Auditorium, damit es in einer 3-Stunden-Vorlesung nicht einschläft. Ich lernte sehr viel über lustige Gimmicks, virtuelle PIN-Wände und ähnlichen Kram. Ich weiß, dies hört sich jetzt etwas überheblich an, aber der wesentliche Zweck eines Unterrichts ist die Vermittlung von Wissen und nicht das Entertainment des Auditoriums. Ich suchte vielmehr nach Möglichkeiten, wie sich die Studierenden intensiver mit dem Stoff auseinandersetzen könnten. Klar, eine Vorlesung soll auch Spaß machen und kann durchaus auch auflockernde Entertainment-Elemente beinhalten, dies sollte aber nicht Selbstzweck werden.

Männer, die an Kreisen verzweifeln

Männer, die auf Kreise starren.

Disziplin, Selbstmotivation und Fokussierung sind die wichtigsten Eigenschaften, die jeder Studierende in Corona-Zeiten mitbringen muss. Als Dozent macht man einige, spannende Licht- und Schatten-Erfahrungen. Welche? Lesen Sie mehr im zweiten Teil des kleinen Streifzugs durch ein Semester virtuelle Vorlesungen.

Im letzten Beitrag habe ich ganz kurz meine Erfahrungen im ersten Drittel des Semesters geschildert. Kommen wir nun zum zweiten Drittel des Semesters. Der Prüfungsausschuss unserer Hochschule hat sich, um den Studenten entgegenzukommen, eine neue Prüfungsform einfallen lassen, das „Exam take Home“. Wesentliche Unterschied zu einer ganz normalen Prüfung war die Anforderung, dass die Studierenden eine eigenständige Leistung erbringen müssen. Eigentlich klar, denn eine Wissensabfrage ist Blödsinn, denn die Studierenden sitzen inmitten aller Unterlagen, das Internet mit allen Informationen ist nur einen Klick entfernt und selbst verständlich kann man auch mit allen KommilitonInnen die Aufgaben gemeinsam lösen. Nachdem die offizielle Bekanntmachung an das gesamte Lehrpersonal verteilt wurde, habe ich den Studierenden zu Beginn meiner Vorlesung die Anforderungen vorgestellt und war der irrigen Meinung, dass dies nur 10 Minuten dauert.

Moments of Truth: die Leistungsfähigkeit der Studierenden auf den Prüfstand gestellt.

Weit gefehlt. Ich wurde mit einer Menge von Fragen bombardiert, die mir doch ganz deutlich zeigte das mit den kurzen, dürren Worten des Prüfungsausschusses ein Konstrukt geboren wurde, dass eine nette Grundidee beinhaltete, aber bei weitem noch nicht bis zu Ende gedacht wurde. 60 Minuten später waren wir uns dann einig, dass wir das ganze Konzept einfach testen. Eine Woche später stand dann der Test an. Die Studierenden hatten ab 14:00 Uhr insgesamt 3 Stunden Zeit, um 2 Aufgaben zu lösen:

Männer, die auf Kreise starren.

Corona-Zeiten sind Lern-Zeiten. Die Studierenden sollen etwas lernen, aber auch als Dozent lernt man einiges dazu. Über Selbstständigkeit, Engagement und Selbstorganisation junger Menschen. Oder auch über das Fehlen dieser Eigenschaften. Begleiten Sie mich auf einen kleinen Streifzug durch ein Semester virtuelle Vorlesungen.

Es begann alles am 20. April. Um 9:45 Uhr hatte ich meine erste Vorlesung mit DFNConf. Obwohl der Betreiber vollmundig versprochen hat, dass der Dienst „auf den Bedarf von Forschung und Lehre zugeschnitten“ ist und „exzellente Audio- und Videoeigenschaften“ bietet, war diese erste Versuch doch von vorne bis hinten ein kleines Disaster. Ein Drittel der Studenten kamen nicht mal in die Vorlesung rein, ein Drittel hatten Audio- und/oder Videoprobleme, bei einem Drittel klappte es. Einer hervorragender Einstieg in das Semester. 

Die zweite Vorlesung an diesem Tag lief ohne technische Probleme, dank Microsoft Teams. Im Verlauf des Semesters stellte ich fest, dass MS Teams eben ein Konferenzsystem ist und kein Tool, um Vorlesungen zu halten. Zurück zur Vorlesung.