Lifestyle – ein spannender Ansatz zur intelligenten Entwicklung von kreativen Ideen in der Werbung. Teil 3.

Logo von Professor Dr. Christian Zich. Hier werden Teile und Erweiterungen aus dem Buch des Autors, das Marketing 4.0 Praxisbuch, vorgestellt.Im letzten Beitrag in dieser Reihe habe ich einen kleinen Ausflug in die verschiedenen Ansätze zur Lifestylesegmentierung gewagt und gleichzeitig versprochen, dass abstrakt-theoretische Niveau durch ein kurzes Beispiel zu untermauern. Dieses Versprechen löse ich hiermit ein. Wir werden uns in diesem Beitrag mit dem konservativ-etablierten Milieu befassen und uns eine Kreatividee ansehen, um Bioprodukte in dieser Zielgruppe zu verankern. Das Unternehmen beschreibt die dieses Segment wie folgt (Quelle: SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH, Informationen zu den Sinus Milieus 2018, Heidelberg 2018. PDF-Datei, https://www.sinus-institut.de/veroeffentlichungen/downloads/download/informationen-zu-den-sinus-milieusR/download-file/2875/download-a/download/download-c/Category/):

„Konservativ-etabliertes Milieu: Das klassische Establishment: Verantwortungs‐ und Erfolgsethik; Exklusivitäts‐ und Führungsansprüche, Standesbewusstsein; zunehmender Wunsch nach Ordnung und Balance.“

Diese kurze Beschreibung reicht natürlich für die Entwicklung einer Kreatividee nicht aus, daher betrachten wir wichtige Schlüsselbegriffe etwas genauer:

Konservativ. Was heißt das?

„Konservativ ist etwas anderes als traditionalistisch oder reaktionär. In Deutschland herrscht eine ziemliche Begriffsverwirrung. Der Konservative weiß, dass der allgemeine Wandel nicht zu verhindern ist. Er will diesen Wandel gestalten. Der Traditionalist wünscht, dass alles so bleibt, wie es ist. Und der Reaktionär möchte das Rad zurückdrehen.“ (Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/konservativ-was-ist-das-andreas-roedder-im-interview-15570489.html; Zugriff 29. Mai 2019).

Eine ausgesprochen spannende und sehr passende Einsicht in das Verhalten der modernen Konservativen bietet von Lucke in seinem Beitrag „konservativ sein: was heißt das heute?“:

„Der moderne Konservatismus ist grün.
Vor allem eine Erkenntnis ist für den Wertkonservativen unhintergehbar: Ohne den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist alles nichts. Der in diesem Sinne wahre Konservative verteidigt und schützt also die Werte der sozialen wie ökologischen Lebenswelt, insbesondere gegen die Dominanz des Ökonomischen.
Anders ausgedrückt: Mit der Entdeckung der ökologischen „Grenzen des Wachstums“ hat das wertkonservative Denken die Seite gewechselt – die eigentliche, wertkonservative Kraft sind seither die Grünen, die unter ihrem Leitbegriff der Nachhaltigkeit mit der Bewahrung der Schöpfung ernst machen wollen. Das neue grüne Denken richtete sich denn auch gegen die materialistische Fortschritts- und Wachstumslogik sowohl des Marxismus wie auch des Kapitalismus.“ (Quelle: https://www.ndr.de/kultur/Konservativ-sein-Was-heisst-heute,gedankenzurzeit1292.html, Zugriff 29. Mai 2019).

Verantwortung- und Erfolgsethik.

Der Begriff Verantwortungsethik stammt von Max Weber und bezeichnet eine Handlungsweise, die nur nach ihren Folgen bewertet wird, ungeachtet der Mittel, um diese umzusetzen. (Quelle: Max Weber: Politik als Beruf, in: Gesammelte Politische Schriften, hrsg. von J. Winckelmann, 5. Auflage Mohr Siebeck, Tübingen 1988, 551-552). Der Begriff der Erfolgsethik geht in eine ähnliche Richtung am beschreibt die Beurteilung des menschlichen Handelns anhand deren Handlungserfolgs. (Max Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, Halle, 1916, Teil III: Materiale Ethik und Erfolgsethik. Der Rest der Begriffe sollte eigentlich selbsterklärend sein.

Die Kernelemente der Kreatividee:

  1. Mit so viel Munition kann man herrlich den Kern einer Kreatividee aufbauen:
    man positioniert Bioprodukte als Ausdruck der Abkehr von der Fortschritts- und Wachstumslogik; mit der Arbeit der Biobauern bewahrt man und beschützt man aktiv die Lebenswelt.
  2. Man packt den Konservativen anschließend zusätzlich bei seinem Verantwortungsbewusstsein und seiner Erfolgsethik: „du persönlich bist dafür verantwortlich, dass wir morgen noch eine lebenswerte Umwelt haben. Du persönlich kannst einen aktiven Beitrag zur erfolgreichen Bewahrung der Lebenswelt leisten, indem du Bioprodukte kaufst. Du kannst dich nicht herausreden, dies ist nicht moralisch korrekt.“
  3. Um noch einen drauf zu setzen adressiert man auch den Führungsanspruch: „du kannst es dem Rest der Welt zeigen. Es ist eine besondere Herausforderung mit Bioprodukten voranzugehen und damit eine Führungsposition in der Bewahrung der Umwelt einzunehmen.“

In diesen drei Kernthesen stecken nun alle Elemente des Einsatzes einer Lifestylesegmentierung als Methode zur Werbestaltung: die Einstellungen und Interessen werden direkt adressiert, der Call-to-Action („tu was“) fordert den Adressaten direkt zu spezifischen Handlungen auf. Die Formulierung dieser verschiedenen Grundgedanken überlasse ich dann einem Texter, die Suche nach Bildern einem anderen kreativen Geist. Damit wären wir bei der typischen Arbeitsteilung zwischen einem Unternehmen und einer Werbeagentur. Das Unternehmen muss sich ganz klare Gedanken darüber machen, wer die Zielgruppen sind und wie das Produkt positioniert werden soll, die kreativen Höhenflüge sollte man einer Agentur überlassen. Nun ist der Artikel doch wieder ziemlich lang geworden, macht aber nichts, da ich mit diesem Artikel schon wieder eine spannende Diskussion für den Unterricht nächste Woche vorbereitet habe.

Stay tuned, in der nächsten Artikelreihe beschäftige ich mich mit Kampagnen, Kommunikationsprogrammen, konkreten Botschaften und verschiedenen Kommunikationskanälen.

Mehr zu diesem Thema…