Die Spannung hat ein Ende, heute wage ich mich an die Auflösung der Frage, wie Innenstädte der Zukunft aussehen sollten. Lassen wir noch einmal kurz den zweiten Teil meiner Reihe in einem Satz Revue passieren: das Kaufverhalten hat sich über die Jahre hinweg durch das Internet so verändert, dass die einfache Bereitstellung von Waren in Form von stationären Einzelhandelsgeschäften nicht mehr ausreichend ist, um einer Verödung der Innenstädte entgegenzuwirken. Was kann man dagegen tun?
Indem man zuerst begreift, dass Einkaufen ein Teil der Freizeitgestaltung ist und daher deutlich über das vielbeschworene Einkaufserlebnis hinausgeht. Anders formuliert, die notwendigen Käufe kann ich auch im Internet erledigen, es muss ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden, dass ich mich von der Couch weg bewege, das Smartphone/Tablet beiseite lege und in die Stadt gehe. Ich brauch ein Freizeiterlebnis, nicht nur ein Einkaufserlebnis!
Sieht man sich die aktuellen Forschungsergebnisse der amerikanischen Psychologieprofessorin Jean M. Twenge (siehe Artikel) und die Ergebnisse des Freizeitmonitors 2016 in Deutschland an, so wird das bei der kommenden Generation von Konsumenten eine ziemlich schwierige Aufgabe. In beiden Studien, obwohl vollkommen unterschiedlicher Fokus, kamen die Forscher zum Ergebnis, dass direkte Kontakte in Summe abnehmen, substituiert durch die Interaktion in sozialen Netzwerken bzw. über technische Geräte, wie Smartphones und Tablets.
Ein Stadtbummel ist aber eine Interaktion mit Verkäufern, vielleicht sogar in Gemeinschaft von Freundinnen/Freunden. Ein Einkaufsbummel konkurriert somit in direkter Art und Weise mit einem alleine zu Hause verbrachten Nachmittag, indem mal wieder die sozialen Netzwerke, YouTube, etc. komplett durchgepflügt wurden. Früher war eine Innenstadt auch ein Zentrum der Begegnung, d. h. wenn mir zu Hause langweilig wurde (ja, ich stamme noch aus der Prä-Internetzeit), verabredete ich mich in der Stadt, zum Kaffeetrinken, Herumhängen und Ratschen. Sieht man sich dagegen die meisten Fußgängerzonen an, dann gibt es hier keine Möglichkeiten, diesen Aktivitäten zu frönen. Ich kann mir aber lebhaft vorstellen, wie die meisten Stadträte reagieren würden, wenn ein Vorschlag „mehr Interaktionsmöglichkeiten in der Innenstadt“ käme; die Bandbreite würde bei hellem Entsetzen (Treffpunkt für Drogensüchtige, Kriminelle und ähnliche suspekte Gestalten) anfangen und bei großer Belustigung aufhören. Diese Idee wäre ja nicht mal neu, denn in den Dörfern war früher der Dorfbrunnen der Ort, an dem man den aktuellen Tratsch und Klatsch austauschte und sich somit auf den aktuellen Stand brachte, was im Dorf wirklich los war.
Nächster Punkt: Freizeitaktivitäten wieder in die Innenstadt bringen, die zuvor aus den Innenstädten verbannt wurden bzw. nie in den Innenstädten angesiedelt waren. Ikea hat ein Möbelhaus in Hamburg Altona eröffnet, Amazon einen Laden in Seattle. Erstere sind vom Stadtrand in die Innenbezirke der Städte zurückgekehrt, letztere sogar aus dem Internet wieder in die reale Welt.
Beleuchten wir noch kurz eine andere Möglichkeit. Sieht man sich den Freizeitmonitor an, so stellt man fest, dass die Deutschen mehr Sport in ihrer Freizeit treiben. Wie viele Fitnesscenter befinden sich denn in den Innenstädten? Wenige bis keine. Daher lautet die freche These: holt die Fitnesscenter wieder in die Innenstädte. Dies ergebe einen zusätzlich lustigen Nebeneffekt, indem die unsportlichen Passanten dann den durchtrainierten, jungen Fitnessfans im Vorübergehen beim Schwitzen zuschauen könnten und damit noch einen zusätzlichen Anreiz hätten, in die Innenstädte zu gehen. Dies würde aber eine Anpassung der ganzen Infrastruktur (zum Beispiel Parkplätze) voraussetzen. Die Steigerung übrigens wäre eine Schaufenstersauna.
Auf die nächste Idee hat mich mein Kieferorthopäde gebracht, mit dem ich mich über die Verödung der Innenstädte unterhalten habe. Er sagte sinngemäß, dass es doch sinnvoll sei, mehr Ärzte in den Innenstädten anzusiedeln. Gar keine schlechte Idee, den jeder geht in regelmäßigen Abständen zum Arzt und je mehr Ärzte ich in den Innenstädten hätte, desto mehr Laufkundschaft würde ich produzieren. Aber auch hier müssen entsprechende Parkplatzkapazitäten bereitgestellt werden.
Zu guter Letzt noch ein kleiner Abstecher zum Lebensmitteleinzelhandel. Auch diese Geschäfte sind sukzessive an den Rand der Städte gewandert, alleine schon aufgrund der benötigten Parkplatzflächen. Auch hier sollten die Städte mal wieder intensiv darüber nachdenken, ob nicht der eine oder andere Lebensmitteleinzelhändler in die Innenstädte zurückgeholt werden kann, eventuell mit einem angepassten Angebot.
Dies war nur ein paar einfache Ideen, wie man Innenstädte unter dem Aspekt der Freizeitgestaltung betrachten kann. Mit etwas Kreativität und etwas mehr Zeit gäbe es sicher noch viele zusätzliche Möglichkeiten, wie man Innenstädte attraktiver machen kann. Und das nicht nur mit attraktiven Geschäften. Stay tuned.
Mehr zu diesem Thema…
- Personal Branding: Tutorium. Teil 4
- Personal Branding: Tutorium. Teil 3
- Personal Branding: Tutorium. Teil 2
- Personal Branding: Tutorium
- Personal Branding für die bildenden Künste: die Bedeutung des künstlerischen Werks
- Personal Branding für die bildenden Künste.
- Personal Branding: wie schlagen Sie sich im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern?
- Der Podcast zum Artikel: 4 Fragen mit denen du dein Personal Branding Projekt in den Sand setzt.
- Personal Branding: wie relevant sind Sie für Ihre Zielgruppen?
- Personal Branding: auf 3 Säulen sollst du deine Personenmarke aufbauen…
Ausserordentlich erfrischend und zutreffend Herr Professor Zich. Es war mir eine grosse Freude, Ihre 3 Teile zu „Die Innenstadt der Zukunft- langweilig, öde und leer“ zu lesen. Vielen Dank und ich sende Ihnen die beste Grüsse aus Bern
Markus Alexander Theyssen
Lieber Herr Theyssen,
vielen Dank für die Blumen. Grüße aus dem stürmischen und regnerischen Bayerwald zurück nach Bern.
Christian Zich