Nach einer langen und ausgiebigen Suche konnte ich endlich vor einigen Monaten einen Mystery-Shopping-Fragebogen aus der Automobilindustrie in den Händen halten. Auf den ersten Blick sieht der Fragebogen ganz o.k. aus, aber wenn man etwas tiefer einsteigt, dann offenbaren sich doch einige ganz grobe Schwierigkeiten:
Grund #1: das Mystery-Shopping-Konzept beeinflusst das Verhalten der Verkäufer nicht. Eine gewagte These, die ich im Folgenden durch ein kurzes Beispiel untermauern möchte. Im Bewertungsbogen findet sich die Frage „Ich hatte den Eindruck, dass ich als Kunde wichtig genommen wurde“. Was passiert nun, wenn der Verkäufer hier nur drei von fünf Punkten bekommt? Er bekommt von seinem Chef die Ansage, nächstes Mal den Kunden wichtiger nehmen! Wenn ich als Betroffener eine große Erfahrung im Hinterfragen des eigenen Verhaltens und in der Selbstreflexion habe, dann fällt es mir eventuell nicht so schwer, einige Optimierungsmöglichkeiten durch zu denken. Wenn ich aber, und dies entspricht eher der Realität, dies eventuell noch nie gemacht habe, bin ich hilflos. Geschickter wäre gewesen, wenn man diese Frage konkreter und objektivierbar in verschiedene Detailfragen zerlegt hätte. Hier bieten sich Kriterien, wie „aktiv zuhören“, „den Kunden ansehen“, “ Interesse zeigen“, etc. an. Damit sind wir schon bei meinem zweiten Kritikpunkt, denn die Frage „Ich hatte den Eindruck, dass ich als Kunde wichtig genommen wurde“ verkommt ohne diese Detailfragen zu einer rein subjektiven Bewertung, je nach Tagesform des Testkäufers. Diese Kritikpunkte ziehen sich quer durch den ganzen Bewertungsbogen durch und zeigen mir ziemlich deutlich, dass hier wahrscheinlich die meisten Beteiligten am Prozess ziemlich wenig Marktforschung-Know-how besitzen. Durch diese undifferenzierten Statements wird viel vom Potenzial der Methodik verschenkt.
Grund #2: Verhandlungs- und Fragetechniken gehen vollkommen unter, die Erfolge der Schulungen werden nicht überwacht. Ein großes Defizit, dass ich in meiner Autohändler-Studie festgestellt habe, ist die fehlende Anwendung dieser Techniken. Es findet sich ein Kapitel im Bewertungsbogen, die Bedarfsermittlung. Nachdem die genaue Erforschung des Bedarfs des Kunden der Dreh- und Angelpunkt eines jeden Verkaufsgespräches ist, sollten die Techniken zu dessen Ermittlung im Vordergrund stehen. Aber leider finden sich auch hier nur Allgemeinplätze, wie jährliche Kilometerleistung, Budget für Neufahrzeug, angestrebte Liefertermin. Die beiden interessantesten Punkte (persönliches Fahrverhalten, Fahrzeugnutzung) werden nur summarisch in einem einzigen Punkt zusammengefasst. Auch hier stellt sich wieder die Frage, warum Verhandlungs- und Fragetechniken umfangreich geschult werden, wenn Sie im Controlling-Instrument gar nicht abgefragt werden. Der Hauptgrund ist sicher, dass Schulungen und deren Inhalte in ganz anderen Abteilungen entwickelt werden, wie die Mystery-Shopping-Konzepte. Typisch für einen großen Konzern.
Grund #3: keine objektivierbare Abfrage der Fachkompetenz. In meiner Textileinzelhändler-Studie konnte ich feststellen, dass die Fachkompetenz mit den höchsten Einfluss auf die Kaufentscheidung hat. Ein Auto ist voll gestopft mit neuester Technik, daher sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Verkäufer in den höchsten Tönen die aktuellen Innovationen seiner Marke lobt und den Kunden aktiv davon überzeugt, dass bestimmte Innovationen die Sicherheit erhöhen und das Autofahren einfacher machen. Ich war beispielsweise in der Vergangenheit davon überzeugt, dass die so genannten Fahrerassistenzsysteme eher was für Leute sind, die nicht Autofahren können. Nachdem ich aber von meinem Verkäufer auf die Vorteile dieser Accessoires hingewiesen wurde und mich in einer Probefahrt vom Nutzen überzeugen konnte, war ich bereit mehr Geld auszugeben. In jedem Bewertungsbogen sollte daher einige Fragen nach den Innovationen der letzten zwölf Monate stehen. Objektivierbar und konkret formuliert, gibt diese Antwort wieder, ob der Verkäufer sich wirklich für die Marke interessiert oder nicht.
Anstatt diese drei Kritikpunkte kreativ in die Bewertungsbögen einzuarbeiten, müssen in regelmäßigen Abständen – wenn ein Verkäufer wieder durch das Mystery Shopping durchgefallen ist – die Chefs und Ihre Verkäufer bei den jeweiligen regionalen Verkaufsleiter antanzen und sich zusammenfalten lassen. Was für eine Verschwendung.
Nachdem ich aber nicht nur kritisiere, sondern auch gerne Lösungsmöglichkeiten anbiete, lade ich jeden, der sich für intelligentere Mystery-Shopping-Methoden interessiert, herzlich gerne am 28.7.2015 um 17:00 Uhr in den Hörsaal I 108 an der technischen Hochschule Deggendorf ein, um ein effektiveres Mystery Shopping kennen zu lernen. Ich freue mich auf Sie.
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