Im letzten Beitrag habe ich aus meiner Perspektive heraus den Ernsthaftigkeitsverlust der Studierenden thematisiert. Heute möchte ich mich etwas mit Priorisierungsproblemen befassen, die wiederum eng mit der Ernsthaftigkeit zusammenhängen. Inwiefern? Wenn ich etwas nicht ernsthaft betreibe, dann ist es auch nicht wichtig. Die Wahrscheinlichkeit, in der Prioritätenliste ganz nach unten zu rutschen, ist relativ groß. Im Folgenden werde ich ein paar Gründe vorstellen, mit denen ich dieses Ergebnis erklären möchte.
Grund #1: das Wissen bekomme ich im Internet, wenn ich es brauche.
Stimmt in gewisser Weise, auch ich heize Google in regelmäßigen Abständen an, um über bestimmte Themengebiete einen kurzen Überblick zu erhalten. Wer nun erwartet, dass er erschöpfende Informationen und ein ganzheitliches Bild erhält, der glaubt wahrscheinlich immer noch an das Christkind. Wenn es um wissenschaftliche Themen geht, dann liefert eine Internetsuche immer nur ein bruchstückhaftes Bild, im Regelfalle nie das ganze Puzzle. Darüber hinaus erhält man in den wenigsten Fällen eine Anleitung, wie dieses Wissen anzuwenden ist. Dazu muss man entweder eine Vorlesung besuchen und/oder ein Fachbuch lesen. Ist mir aber eigentlich der ganze Hochschulbetrieb egal und ich will nicht Wissen erwerben, sondern einen Abschluss, dann ist die ganze Vorlesung nur ein lästiges Übel. Der Fokus liegt daher automatisch auf einer effizienten Abwicklung der Prüfungsvorbereitung.
Grund #2: ich habe nie gelernt, Wissen zur Problemorientierung zu akquirieren und einzusetzen.
Schräg, nicht? Ich muss mir nur das G8 genauer ansehen, um dieses Statement zu erklären. Der Stoff ist immens, wird in erster Linie ganz schnell und oberflächlich durchgeprügelt, um den Lehrplan zu erfüllen. Eine wirklich problem- und lösungsorientierte Durchdringung des Stoffes steht nur in ganz wenigen Fällen auf dem Programm. In anderen Worten: als Schüler weiß man gar nicht, wie ein komplexes Problem gelöst werden kann, wenn man die Werkzeuge nicht dazu hat. Dies ist aber die wesentliche Voraussetzung für eine akademische Laufbahn und führt dann in schöner Regelmäßigkeit zum akademischen Schock – der nicht bestandenen Prüfung. Im Gegensatz zu den Universitäten gönnt man sich an Fachhochschulen den Luxus des seminaristischen Unterrichts. Unter diesen Rahmenbedingungen kann man wirklich Problemlösungskompetenz erzeugen. Wenn ich es aber in der Schule nicht kennengelernt habe, dann bin ich vielleicht heilfroh, wenn der Zwang weg ist, Zeit in der Institution zu verbringen. Die Priorität des Vorlesungsbesuchs ist dementsprechend gering.
Grund #3: anderes ist mir wichtiger.
Wenn ich mich im Unterricht umsehe, habe ich relativ auf den Eindruck, dass die Interaktionen mit den virtuellen Freunden, das ziellose Surfen im Internet und der Besuch von Onlineshops eine deutlich höhere Priorität als der Unterricht hat. Dies schlägt sich ganz deutlich in den Mitschriften nieder. Bei den meisten Studierenden finden sich am Ende einer Vorlesungseinheit meist nur ein paar Sätze auf einem ansonsten leeren Blatt Papier. Aufgrund dieser mageren Aufzeichnungen lässt sich keine Klausurvorbereitung durchführen. Überhaupt beschleicht mich manchmal das Gefühl, dass der wesentliche Lebensinhalt ein MacBook und ein iPhone ist, darüber hinaus gibt es nicht viel erstrebenswertes.
Ich bin vor einer Stunde mit der letzten Klausur in diesem Semester fertig geworden und war positiv überrascht, dass sich das niedrige Niveau der ersten Klausur nicht in gleicher Weise fortgesetzt hat. Bei der letzten Klausur war ich sogar recht positiv überrascht, diese Gruppe zeichnete sich aber durch rege Mitarbeit und Diskussionsbereitschaft aus. Nächste Woche gibt es den letzten Teil. Stay tuned.
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