Die TM-Mausis und der Mythos Tourismusmanagement. Wie kann ein Beitrag so in die Hose gehen?

Gestern Abend bescherte mir Jodel einen ausgesprochen vergnüglichen Abend. Um 22:00 Uhr, nachdem ich mit dem Korrigieren einer Klausur fertig war, wollte ich mir meine wöchentliche Portion Jodel gönnen und zu meinem Erstaunen entdeckte ich eine ganz heiße Diskussion zu einem aktuellen Beitrag des Bayerischen Rundfunks zum Mythos Tourismusmanagement (siehe Link zum YouTube-Video). Alleine die Diskussion im sozialen Netzwerk brachte mich so zum Lachen wie schon lange nicht mehr. Warum? Der Beitrag – obwohl er vielleicht ein falsches Bild in der Öffentlichkeit zurechtrücken wollte – bewirkte mit der Art und Weise der Darstellung genau das Gegenteil. Dies mag sehr viele Gründe haben, steigen wir also ein:

  1. Alleine der Einstieg (1 Stunde Fahrzeit vom Flughafen München entfernt, fast schon im bayerischen Wald; man bemerke die Betonung auf fast!) rückt unsere Hochschule in der Wahrnehmung ganz stark in die Nähe einer Provinz-Institution; man hört zwischen den Zeilen fast schon das Erstaunen des Moderators, nach dem Motto: „oh, fernab der Zivilisation gibt es eine Hochschule und dort kann man auch noch Tourismusmanagement studieren.“ Nachdem ich im Rahmen meiner eigenen Vermarktung schon relativ viel mit Redakteuren in Zeitungen und Fernsehsendern zu tun hatte, ist es für mich nicht verwunderlich, dass viele Aussagen eben in die Hose gehen, wenn man sie nicht vorgibt und und möglichst genau und idiotensicher formuliert. Und selbst dann kann der endgültige Beitrag immer noch vollkommen daneben liegen.
  2. Die Grundidee, eine Studentin aus dem 1. Semester und eine aus dem 7. Semester auszuwählen, ist gar nicht schlecht, aber die Umsetzung einfach nur peinlich. Alleine die Aussage, dass man bis zum 7. Semester 15 Studienarbeiten selber (!) schreiben muss, ist im internationalen Vergleich ein Witz. An einigen unseren internationalen Partnerhochschulen müssen die Studierenden während des Semesters alle 14 Tage ein Paper abgeben. Der Hinweis, dass dies viel sei, im Vergleich zu anderen Fächern (hat sich der Redakteur wirklich informiert, oder ist ihm dieser Satz einfach so ausgerutscht?), geht damit nach hinten los. Mein Tipp wäre gewesen: diejenigen fragen, die Ahnung von der Materie haben und ein entsprechendes Fact-Sheet für den Redakteur zusammenstellen, dass er nicht einen solchen Blödsinn verzapft. Der Zusatz der Studentin, dass die Studienarbeiten selber geschrieben werden müssen, wurde in Jodel ganz begeistert aufgenommen und kommuniziert.
  3. „Man muss sich sehr viel selber erarbeiten, in der Prüfungszeit lernt man sehr viel, in der Bibliothek auch.“ Ist das ein Unterschied zu anderen Studiengängen? Eher nicht, dies ist der Standard. Wobei die FH-Studenten sowieso verwöhnt sind, was den Schwierigkeitsgrad des Studiums anbelangt. Ich weiß, dies wird den meisten der Studierenden nicht gefallen, aber die Komplexität an der Uni ist eben deutlich höher als bei uns an der FH. Wenn ich an mein Studium an der LMU zurück denke und die Menge der Bücher Revue passieren lasse, die ich alleine nur den 6 Monaten Vorbereitung auf mein Examen gewälzt habe… Nächste Frage: wer von unserer Hochschule hat die beiden Studentinnen gebrieft, was sie hätten sagen sollen und wie hätten sie es sagen sollen? Man darf die Redakteure eben nicht unbeaufsichtigt lassen, da kommt nichts raus.
  4. Die sinnfreie Aussage des Redakteurs, dass sich die Stundenanzahl nicht von anderen Studienfächern unterscheidet, zeigt ziemlich deutlich, dass er überhaupt keine Ahnung hat. Durch die europaweite Regelung des Bachelor- und Master-Studiums ist pro Semester für alle Studiengänge (zumindest auf dem Papier) der Workload gleich. Der Kommentar ist überflüssig.
  5. „Jessica merkt gleich in den ersten Wochen: Schulmathe reicht nicht fürs Studium und ist Durchfallerfach Nummer 1 für Tourismusmanager“ . Und dann kommt ein paar Sekunden später die folgende Gleichung: 0,5(163+167) = 165. Auch diese Sequenz sorgte in Jodel für viele Lacher. In Kombination mit der Aussage der Studentin, dass Mathe wahnsinnig schwer sei, ist auch diese Einblendung ein Witz und lässt die Studentin unbeabsichtigt als Dummerchen dastehen. Die ganzen Maschinenbauer lachten sich in Jodel krank. Wir sind bei Minute 3:06 von 7:49 und bis zu diesem Zeitpunkt wurde eher der Beweis erbracht, dass Tourismus allen Vorurteilen entspricht.
  6. Unser Dekan, Professor Waldemar Berg, rettet die Situation mit vernünftigen Aussagen. Dann kommt der nächste Hammer, der Bunny-Bunker. Diese Sequenz lasse ich unkommentiert, sie spricht für sich.
  7. Jetzt kommt die Sequenz mit der Armlänge, ein Brüller im ganzen Video. Nachdem ich mich selber mit interkulturellen Management beschäftige, weiß ich, was Kollege Professor Dr. Klühspieß damit darstellen wollte: manche Völker fühlen sich einfach wohl, wenn man einen gewissen Mindestabstand zum Gesprächspartner einhält, wohingegen andere Kulturen eine deutlich größere Nähe zulassen. Dies lernt man in jedem interkulturellen Training. Diesen Sachverhalt so aus dem Kontext herauszureißen und als idiotische Übung darzustellen, ist eine Frechheit und lässt nicht nur die Studierenden, sondern auch die Kollegen wie Idioten dastehen. Was machen wir im Unterricht? Wir üben Armlänge! Aber erst im 6. Semester, denn Armlänge üben ist noch zu schwierig für die Erstsemester.
  8. Sprachen machen wir wenig, denn es reichen ja die Grundkenntnisse. Mit Grundkenntnissen in Englisch wäre ich bei meinen amerikanischen Kollegen nicht weit gekommen, aber im Tourismusmanagement geht das anscheinend schon. Ah, die Erklärung: die Touristen können ja auch kein Englisch, oder Spanisch, oder… Der Deutsche will sein Sauerkraut, seine Würschtl, seinen Schweinebraten und das alles bitte auf Bayerisch bestellen. Tja, Pauschalbilligtourismusmanagementwissenschaften oder so. Gibt es das auch als Fach?
  9. Die Tanzshows und das Praktikum als Animateurin hätte man ganz anders verkaufen können: von vornherein im operativen Geschäft mitarbeiten, um die Anforderungen an Mitarbeiter zu verstehen und die Mitarbeiter später richtig führen zu können; Kinder zu bespaßen ist eine ziemlich herausfordernde Aufgabe; Hut ab vor dem, der das macht. Man muss sehr viel Sozialkompetenz mitbringen, man muss sich in Kinder einfühlen können, etc. Das hätte hier kommen sollen.
  10. Am Ende des Studiums: ab ins Reisebüro. Die Klappe fällt und es bleibt ein vergnüglicher Abend mit den Kommentaren in Jodel bei mir in Erinnerung. Selten so gelacht, aber peinlich für unsere Hochschule.

Schade eigentlich, diesen Beitrag hätte man deutlich professioneller aufbauen können, so bleibt in Erinnerung: an der THD gibt es einen sinnfreien Studiengang, der nicht mal von den eigenen Studenten für voll genommen wird, außerdem sind wir in der bildungsfernen Diaspora.

Stay tuned.

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6 Gedanken zu „Die TM-Mausis und der Mythos Tourismusmanagement. Wie kann ein Beitrag so in die Hose gehen?

  1. Sehr geehrter Herr Zich,

    ich studiere derzeit selbst Tourismusmanagement in Deggendorf und konnte bei diesem Beitrag nur den Kopf schütteln. Man merkt die guten Absichten des BR dahinter, jedoch wurde einfach nicht genügend recherchiert. Wie sonst sind einige Falschinformationen zu erklären?
    Zunächst einmal beinhaltet das Studium drei und nicht zwei Semester Sprachen, zudem erlernen wir nicht die Grundkenntnisse, sondern tourismus- und wirtschaftsspezifische Kenntnisse.

    Über die Wahl der Studentinnen kann man sich auch streiten. Mathe und Statistik sind bestimmt nicht die interessantesten Vorlesungen während des Studiums, aber sie sind definitiv machbar. „Schulmathe reicht nicht fürs Studium „, diese Aussage ist meiner Meinung nach völlig überflüssig. Wenn man mit dem Wissen der Schule sofort die Prüfung bestehen kann, wofür ist dann überhaupt ein Semester dafür eingeplant?!

    Ja, tatsächlich, es gibt sie: Studenten/Studentinnen, die wirklich ernsthaft Tourismusmanagement studieren und auch bei einer Mathe oder Statistik Vorlesung gedanklich nicht sofort abbiegen, für die Internes und Externes Rechnungswesen interessant ist und die nicht jeden Tag top gestylt zur Vorlesung erscheinen.
    Kaum zu glauben, aber wahr!

    Ganz allgemein ist es einfach schade, dass mit diesem Beitrag der Studiengang noch lächerlicher gemacht wurde als er ohnehin schon gesehen wird. Glücklicherweise sind die Studenten nicht die Einzigen, die das erkannt haben. Wer würde schon einem „Tourismusmausi“ glauben?

    • Sehr geehrtes Tourismusmausi,
      vielen herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar, dies hat mich wirklich sehr gefreut. Die Aspekte, die sie in ihrem Kommentar erwähnen, werden entweder überhaupt nicht genannt oder durch den ungeschickten Schnitt bzw. die Art des Kommentars abgewertet. Mein Tipp: nicht unterkriegen lassen, auch das geht wieder vorbei.
      Und an alle diejenigen, die glauben, dass ihr Studium schwieriger ist: jedes Studium hat seine eigenen Herausforderungen und Schwierigkeiten und jeder wählt dieses aufgrund seiner eigenen Vorlieben und Fähigkeiten. Und warum soll es ein Fehler sein, wenn man sich etwas aussucht, was Spaß macht? Das ist wieder typisch deutsch, denn wenn etwas Spaß macht, kann es ja weder schwierig noch nützlich sein.
      In diesem Sinne einen schönen Abend
      Ihr Christian Zich.

  2. Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Zich,

    vielen Dank für die, wie ich finde, wirklich gelungene Analyse dieses missglückten Beitrags.

    Mich selbst hat das Video regelrecht wütend gemacht und ich frage mich, weshalb zugelassen wurde, dass es an die Öffentlichkeit gelangt.

    Es handelt sich hierbei in meinen Augen beinahe um Anti Werbung. Wenn ich diesen Beitrag in Zeiten meiner Studienorientierung gesehen hätte – ich hätte mich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wieder für diesen Studiengang entschieden. Der Film ist, wie ich finde, regelrecht abschreckend.

    Bei einem solchen Beitrag soll es doch darum gehen, objektiv Fakten über einen Studiengang aufzuzeigen und evtl. Studieninteressierte zu informieren.

    Hier geht es lediglich einerseits um die Belustigung der Maschinenbau Studenten während die TM Studentinnen versuchen, sich zu rechtfertigen.

    In meinen Augen wären hier Fakten wie Berufsmöglichkeiten nach dem Studium, Zulassungsvoraussetzungen, Informationen rund um die Hochschulstadt Deggendorf usw. angebracht gewesen.

    Was hier passiert ist, kann man kaum noch einen sachlichen Bericht nennen. Viel mehr handelt es sich hierbei meiner Meinung nach um eine Satire. Und die TM Studentinnen und Studenten werden zum Gespött gemacht.

    • Hallo Nickycindy,
      vielen herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Ich würde ja gerne das Gegenteil von dem behaupten, was sie schreiben, aber leider wirft der Beitrag kein gutes Licht auf den Studiengang. Und sie haben zu 100 % recht. Ich unterrichte selber im Studiengang Tourismusmanagement und habe andere, deutlich positivere Erfahrungen mit den Studierenden gemacht. Die Anforderungen sind genauso hoch wie in anderen Studiengängen an unserer Fakultät wenn sich die MINT-Vertreter so weit aus dem Fenster lehnen, geben Sie denen mal die Möglichkeit, sich nicht nur abfällig über den Studiengang zu äußern, sondern eine anständige Präsentation zu schmeißen.
      Trotzdem ein schönes Wochenende.
      Ihr Christian Zich.

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