Im letzten Artikel in meiner Reihe „Umsetzung von Marketing- und Vertriebsstrategien“ habe ich ein paar Stolpersteine angesprochen, die dazu führen können, dass die Maßnahmen nicht wie beabsichtigt umgesetzt werden können. Daher stellt sich nun die interessante Frage, mit welchen Maßnahmen man beginnt. Eigentlich steckte die Antwort schon im letzten Artikel drin. Im ersten Schritt überlegt am sich, wie man Kapazitäten frei schaufelt, nicht, wie man noch etwas zusätzlich drauf packt. In der Hochphase des Prozessmanagements wurden so viele verschiedene Vorgehensweisen und Ansätze entwickelt, dass ich an dieser Stelle diese nur ganz kurz anreisse.
Fangen wir mit den einfachsten Ansätzen an: KVP bzw. KAIZEN. Während meiner Zeit bei der Medizintechnik habe ich sowohl in Fertigungsbereichen als auch in der Verwaltung viele verschiedene Umsetzungsprojekte angeschoben und begleitet. Ich persönlich fand es immer extrem interessant, mit welch einfachen Methoden man doch zwischen 30% und 50% an Produktivität selbst aus eingeschwungenen Prozessen herausholen kann. Die Grundidee ist relativ einfach: man versucht einfach nur die Kreativität der Mitarbeiter zu aktivieren und zielgerichtet für die Verbesserung ihres eigenen Arbeitsumfeldes zu nutzen.
Ein KVP-Projekt begann mit einem Startworkshop, indem in der Früh von 9:00 Uhr bis 10:00 Uhr nur kurz und knapp die Theorie und die Instrumente (Ishikawa-Diagramm, 7W-Checkliste, die sieben Arten der Verschwendung, etc.) erklärt wurden, dann ging es bereits mit der Umsetzung los. Ab 10:00 Uhr dürften die Mitarbeiter in einer Brainstorming-Runde Verschwendungen, Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten sammeln und priorisieren. Die Prioritäten wurden auf Basis der quantifizierten Potenziale bestimmt. Um spätestens 12:00 Uhr – kurz vor der Mittagspause – hatten sich die Teams auf 2-3 Maßnahmen geeinigt, die sie im Verlauf des Nachmittags wirklich umsetzen konnten.
Bereits an dieser Stelle kam es meist einige ungläubige Fragen, wie „wir sollen jetzt umsetzen?“, „dürfen wir das wirklich?“, „ohne den Chef zu fragen?“ und viele ähnliche mehr. Ich habe für mich gelernt, dass die Methodik und die Vorgehensweise nie ein Problem waren, die Vorgesetzten dafür umso mehr. Denn getreu der deutschen Denkweise (mit Peanuts geben wir uns nicht ab; ich bin der Chef und schaffe an) standen diese sehr oft mit beiden Beinen auf der Bremse und hatten Angst davor, dass sie auf einmal nichts mehr zu tun hatten. An dieser Stelle mussten dann in schöner Regelmäßigkeit die Top-Führungsebenen die Initiative ergreifen und den Leitern der Fertigungs- und Verwaltungsabteilungen entsprechende Optionen für die Zukunft anbieten, damit diese mit der neu gewonnenen Autonomie der Mitarbeiter zurechtkamen. Im Klartext bedeutet dies meistens neue, strategische Aufgaben.
Nach diesen Startworkshop begann meistens eine sechsmonatige Begleitungsphase, in denen sich der Berater sukzessive zurückgezogen hat. Am Anfang waren wir immer noch gefordert, vor allem bei kleinen und großen Problemen mit der Moderation und der Steuerung der Gruppe. Im Regelfalle bekamen das die Mitarbeiter relativ schnell hin, so dass irgendwann der Punkt erreicht war, an dem man überflüssig war. Ich erinnere mich noch sehr gut an die überraschten Gesichter, wenn ich der Gruppe eines schönen Tages mitteilte, dass dies die letzte Sitzung mit mir war. Meistens sagte die Gruppe dann, dass sie mich noch brauchen würden, aber ich konterte immer mit der Frage: wann in den letzten 4 Wochen haben sie mich wirklich gebraucht? Dann schauten sich die Gruppenmitglieder meistens verdutzt an und erkannten, dass sie den ganzen Prozess vollkommen selbst steuern konnten und mich nicht mehr brauchten. Die Methodik war integraler Bestandteil des Tagesgeschäfts geworden.
Zurück zur Umsetzung von Marketing- und Vertriebsstrategien. In diesen Abteilungen kann man sehr wohl auch KAIZEN und KVP einführen, nicht nur in der Fertigung. Die moderierte Arbeit in Kleingruppen, fokussiert auf die eigenen Prozesse ist vielleicht auf den ersten Blick in dieser kreativen Umgebung ungewohnt, aber das Grundprinzip bleibt das gleiche. Man hat vielleicht etwas mehr Überzeugungsarbeit zu leisten, denn Werbung und Vertrieb entzieht sich einer Quantifizierung. Eine faule Ausrede, um Transparenz zu verhindern. Aufgrund der vielen Projekte während und nach meiner Zeit bei der Medizintechnik bin ich der Meinung, dass sich gerade über die Beseitigung von kleinen Problemen alle Mitarbeiter im Marketing und Vertrieb langsam an die beständige Reflexion und kontinuierliche Verbesserung der eigenen Vorgehensweisen herantasten können und damit lernen, dass es immer etwas zu verbessern gibt. Und vor allem, dass man nie so gut ist, wie man sein könnte. Gleichzeitig hatten die Mitarbeiter durch die verbesserten Prozesse deutlich mehr Luft im Tagesgeschäft. Beispiele für Verbesserungen gibt es viele: die Steuerung von Werbeagenturen, die Vollständigkeit des Briefings von Werbeagenturen, die Vorbereitung von Kundenbesuchen, Potenzialanalyse von Kunden etc. Diese Themen sind überschaubar, schnell umsetzbar und verschaffen den Mitarbeitern im Sinne von Quick Wins ein schnelles Erfolgserlebnis erbringen gleichzeitig diejenigen Bremser zum Schweigen, die der Meinung sind, dass dies alles sowieso nicht funktioniert.
Auf etwas höherer Ebene angesiedelt ist dagegen die Methodik des BPM (Business Process Management) bzw. BPR (Business Process Reengineering). Meiner Erfahrung nach klappt das radikale neue Design eines Prozesses nur in Kombination mit einem Benchmarkingprojekt. Wenn man sich selber zusammen mit den Kollegen hinsetzt besteht die Gefahr, dass man sich doch nur um die eigene Erfahrung herum dreht und die Änderungen nicht konsequent genug und nicht radikal genug ausfallen. Wenn man sich dagegen Prozessideen von anderen Firmen abholt, die aufgrund ihrer Marktsituation schon viel weiter sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass man wirklich über den Tellerrand hinaus sieht. Aufgrund der Bedeutung und Wichtigkeit ist BPM/BPR eine Aufgabe des Top-Managements. Sie birgt aber auch die Gefahr in sich, dass mit einem neuen, radikalen Prozessdesign Mitarbeiter aus existierenden Prozessen schnell überfordert sind. Daher sollte man, wenn immer es geht, eine KVP-Phase vorschalten, um alle Mitarbeiter langsam und zielorientiert an die Grundgedanken der Verbesserungsansätze heranzuführen: ein Verbesserungsprojekt hat immer einen Anfang, aber nie ein Ende.
Alle Ansätze, die ich gerade eben beschrieben habe, dienen dazu, Prozesse schlanker, effizienter und damit ressourcenschonender zu gestalten. Gleichzeitig kann man sukzessive neue Ideen und Verbesserungsbereiche zielgerichtet einführen und damit das Marketing und den Vertrieb deutlich verbessern. Nächste Woche geht es weiter. Stay tuned.
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