Amazon ist vielleicht wieder dabei, die Onlinewelt und damit auch wieder die Offlinewelt auf zu mischen. Die Ankündigung, mit Amazon Fresh den Lebensmitteleinzelhandel hat vor allem beim stationären Einzelhandel für einige Turbulenzen gesorgt. Was denken die Zielgruppen wirklich über dieses Serviceangebot von Amazon? Diese Frage hat Frau Kern im Rahmen ihrer Bachelorarbeit intensiv und vor allem empirisch untersucht. Wie bei jeder Arbeit in der Hall of Fame findet sich neben einem hervorragenden Theorieteil und einem pfiffigen, intelligenten Forschungsansatz ein spannender Praxisteil mit teilweise überraschenden Ergebnissen. Besonders interessant fand ich, dass die Befragten noch sehr stark am Einkaufserlebnis eines stationären Einzelhändlers (Ladenlayout und Atmosphäre des Ladens) festhalten wollen und gleichzeitig der Kauf von Lebensmitteln – gerade von frischen Lebensmitteln – eine Vertrauenssache ist. In anderen Worten formuliert: wenn ich sehe, was ich kaufe, fühle ich mich wohler. Die Fotos im Internet sind da deutlich geduldiger. Andererseits gibt es doch einige Gründe, die für Amazon sprechen: großes Sortiment, niedrige Preise, gutes Image und starke Logistikleistung. Eine tolle Arbeit, bei der ich selber wieder einiges dazugelernt habe. Willkommen in der Hall of Fame.
Hier das Interview mit Frau Kern:
Was waren die wichtigsten Inhalte/Erkenntnisse?
Nicht jedes Konsumgut scheint sich in jedem Land digitalisieren zu lassen. Meine Thesis zeigt auf, dass Lebensmittel einer anderen Produktkategorie als gewöhnliche „Consumer Goods“ angehören, die sich nicht einfach von heute auf morgen auf eine der erfolgreichsten Online-Plattformen unseres Zeitalters schieben lassen. Eines der zugleich wichtigsten als auch überraschendsten Erkenntnisse war die generelle Ablehnung von einem Kauf bei Amazon Fresh, obwohl die Mehrheit der Teilnehmer die einzelnen Einkaufskriterien, die vor allem Amazon Fresh erfüllt, als sehr wichtig erachtet. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass traditionelle Lebensmittelhändler, die auch ausschließlich mit Lebensmitteln in Verbindung gebracht werden, ein höheres Vertrauen als Online-Händler genießen. Die Lebensmitteleinkäufe der Deutschen scheinen nach Gewohnheit getätigt zu werden. Amazon könnte in den Köpfen der Deutschen noch nicht mit Lebensmitteln in Verbindung gebracht werden. Außerdem möchte doch die große Mehrheit vor allem die frischen Lebensmittel vor dem Kauf sehen, riechen und fühlen können. Dies erklärt auch die generelle Skepsis gegenüber dem Kauf von frischen Lebensmitteln im Internet. Des Weiteren zeigt sowohl die Umfrage als auch eine ausgiebige Recherche, dass die Deutschen die Präsenz von Online-Lebensmittelhändlern noch gar nicht richtig wahrnehmen und oftmals nicht über solch einen Service informiert sind. Eine weitere wichtige Erkenntnis zeigt die Auswertung der Umfrage: Trotz der alltäglichen Konfrontation und des Aufwachsens im digitalen Zeitalter hat die Mehrheit der Teilnehmer, die der Gruppe der Millennials angehören, eine klare Abneigung gegenüber dem Kauf von frischen Lebensmitteln bei Amazon Fresh gezeigt.
Wie kam Ihnen die Idee für Ihre Arbeit?
Die Idee für die Arbeit kam mir im Sommer 2016, als ich einen Kurztrip über das Internet buchen wollte. Dabei fiel mir auf, dass man heutzutage immer mehr Dienstleistungen über diverse Online-Kanäle in Anspruch nimmt. Man hat größtenteils einen Online Banking Account, kauft sämtliche Verbrauchsgüter über Online-Plattformen und bucht seinen Urlaub online. Diese Angebote werden auch in Deutschland immer häufiger wahrgenommen. Jedoch hatte ich nach einiger Recherche gesehen, dass es schon einige wissenschaftliche Arbeiten über das Thema „online travel booking“ und das dazugehörige Konsumentenverhalten gibt. Daher wollte ich das Thema Online-Services im alltäglichen Leben der Deutschen fast schon wieder über Bord werfen, als ich einen Artikel über den Angstgegner Amazon Fresh in der Zeitung „die Zeit“ gelesen hatte. Dadurch wurde ich auf das Thema des Online-Lebensmittelhandels aufmerksam. Nach einigen Gesprächen mit Freunden und Kommilitonen stellte ich fest, dass es zu dieser Art von Service ganz unterschiedliche Meinungen und Einstellungen gibt. Dies erschien mir als ein sehr spannendes Thema, aus welchem vor allem im praktischen Teil der Arbeit viele neue Erkenntnisse herauszuholen sind. Da sich Amazon generell eine sehr gute Stellung auf dem deutschen Markt erarbeitet hat, wollte ich herausfinden, ob es sich auch in der Lebensmittelindustrie etablieren und somit ein komplettes Einkaufsuniversum schaffen könnte.
Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?
Die Erkenntnis, wie hilfreich eine solide Literaturrecherche sein kann. Durch die Erarbeitung der Theorie war es möglich, einige Resultate und Erkenntnisse aus dem praktischen Teil zu erklären. Dies fühlte sich wie eine Art Bestätigung an, eine „runde“ Arbeit abzuliefern. Des Weiteren war es interessant, sich einen praktischen Teil für die Arbeit auszudenken, mit welchem die Fragestellung der Arbeit beantwortet werden sollte. Es war toll, aktiv durch die Befragung von Menschen einen Teil zur Lösung des Problems beizutragen.
Welche Anregungen haben Sie am meisten beeinflusst?
Die in regelmäßigen Abständen stattfindenden Rücksprachen mit Herr Prof. Zich haben mich maßgeblich bei meiner Strukturierung der Arbeit sowie der Umsetzung der quantitativen Datenerhebung beeinflusst. Dabei haben mir die Gespräche vor allem bei der Konzentration auf die relevanten Inhalte geholfen, sodass ich keine angrenzenden Themen behandelte, die nicht zur Lösung der Problemstellung beigetragen hätten. Außerdem haben mir kontinuierliche Diskussionen mit Bekannten, Freunden und Familienmitgliedern über ihre Meinung zum Thema der Arbeit immer wieder neue Perspektiven gebracht. Dadurch ließ sich vermeiden, dass ich zu engstirnig und subjektiv an die Arbeit heranging.
Mit Firma oder ohne Firma geschrieben? Warum?
Ich hatte mich dazu entschieden, die Bachelor-Thesis ohne Firma zu schreiben. Der Grund dafür lag in der Unabhängigkeit der Themengestaltung und –ausarbeitung. Ohne die Firma hatte ich die Möglichkeit, den Weg zu gehen, den ich als sinnvoll erachtete und mir keine genaue Richtung vom Unternehmen vorgeben zu lassen. Des Weiteren hat man ohne Firma weniger Abstimmungswege, da wesentlich weniger Parteien involviert sind. Dies erleichtert die Umsetzung eines Projekts. Außerdem hätte es bei dem Thema der Arbeit nur Sinn gemacht, mit Amazon Fresh in Kontakt zu treten. Diesen Weg hatte ich jedoch bewusst nicht gewählt, weil ich befürchtete, dass man durch die Arbeit in der Firma eine mehrheitlich positive Perspektive bekommen hätte. Dadurch hätte ich sicherlich nicht so viel hinterfragt und es wäre keine unvoreingenommene sowie objektive Recherche mehr möglich gewesen.
Was war die größte Herausforderung bei der ganzen Arbeit? Wie haben Sie das gemeistert?
Die größte Herausforderung stellte die Umsetzung des praktischen Teils für mich dar. Die Erstellung eines Fragebogens, der alle nötigen Fragen beinhaltet, um die Problemstellung zu beantworten, ohne dem Teilnehmer die konkrete Absicht mitzuteilen, stellte sich als schwieriger heraus, als anfangs gedacht. Hier war ich sicherlich auch auf die Expertise und Erfahrung von Herr Prof. Zich angewiesen, der mich bei der Finalisierung der Fragebogen-Strukturierung unterstützte. Eine weitere große Herausforderung präsentierte sich durch die Auswertung der Umfrageergebnisse durch SPSS. Man musste sich erst einmal tief in die Materie einarbeiten, um mit dem Programm zu arbeiten und die richtigen Tests zu selektieren, welche für eine sinngemäße Auswertung der Daten benötigt wurden. Diese Herausforderung löste ich zum einen durch eine intensive Recherche über SPSS in der Bibliothek und durch Online-Tutorials. Zum anderen haben mich Freunde unterstützt, die schon mit dieser Software gearbeitet haben.
Haben Sie einen guten Tipp für gelungenes Zeitmanagement?
Ich denke, dass eine solide vorbereitete Gliederung der wichtigste Bestandteil ist, um einen strukturierten Arbeitsplan zu schaffen. Ohne einen festen Plan, wann welcher Punkt abgearbeitet sein muss und wie viel Zeit jeder einzelne Punkt in Anspruch nimmt, verliert man sich im Schreiben und somit den roten Faden. Durch das Verrennen in irrelevante Themenbereiche verschwendet man nur unnötig Zeit. Zusätzlich würde ich definitiv einen Großteil der Arbeitszeit für den praktischen Teil der Arbeit einplanen, da dieser maßgeblich zur Lösung der Problemstellung beiträgt und nicht unterschätzt werden sollte.
Wie viel Zeit haben Sie für die Bachelorarbeit insgesamt aufgewendet (in Monaten)?
Da ich meine Bachelorarbeit zu Beginn des 7. Semester begonnen hatte, wurde ich durch den Prüfungs-/Präsentationsstress während des Monats November zu einer kleinen Pause gezwungen. Da ich direkt im Februar einen Praktikumsplatz bekommen hatte, hat sich der Zeitraum doch etwas ausgedehnt. Wenn man den Zeitraum von der Konzeption bis hin zur Umsetzung und Niederschrift der Ergebnisse betrachtet, habe ich gute fünf Monate für die Arbeit gebraucht.
Was würden Sie heute anders machen?
Ich würde definitiv keine größere Pause mehr während des Semesters einlegen, da es doch ein bisschen Zeit kostet, sich wieder in das Thema einzuarbeiten und bereits geschriebene Teile nachzuvollziehen. Außerdem würde ich von Anfang an die Quellennachweise im Text einfügen und das Literaturverzeichnis erstellen. Da ich immer nur die Verweise bzw. Links und nicht die komplette Literatur eingefügt hatte, hat es mich am Ende sehr viel Zeit gekostet, dies nachzuarbeiten.
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