In meinem Einstiegsartikel zu dieser Serie habe ich angedeutet, dass die meisten Onlineshops und Webseiten nicht in der Lage sind, die wirklich wichtigsten Fragen der Kunden zu beantworten. Im schlimmsten Falle transportieren sie nichts, im besten Falle eine enorme Menge an Fachbegriffen, mit denen nur der Experte etwas anfangen kann. Dazwischen gibt es sehr viele Vertreter, die sich in kryptischen bis schwurbeligen und vollkommen übertriebenen Werbesprüchen suhlen und somit dem Interessenten eher auf die Nerven gehen, anstatt ihm wirklich zu helfen.
Um dem Kunden wirklich zu helfen, muss ich das richtige Know-how haben. Damit sind wir mitten im größten Lerneffekt, den die Digitalisierung dringend nötig hat. Daher, liebe Webdesigner und Digitalisierungsexperten, seht euch doch einmal ein richtiges, echtes und gutes Verkaufsgespräch an. Wie das geht? Ohne in die Tiefe einzusteigen, fragt der Verkäufer nach den Wünschen des Kunden und hangelt sich sukzessive – auf Basis seines Produkt-Know-hows – durch die verschiedenen Anforderungen des Kunden, um dann am Ende des Gesprächs mit einer überschaubaren Anzahl verschiedener Alternativen aufzuwarten. Was sich so einfach anhört, ist – wenn man es richtig gut machen möchte – mit einem ziemlich großen Lernaufwand verbunden, mit viel Übung und noch mehr Erfahrung.
Die meisten Leser werden jetzt sagen, ist doch klar. Selbstverständlich erwartet jeder von Ihnen einen Verkäufer, der Ahnung von dem hat, was er verkauft. Aber haben Sie, sofern Sie im Vertrieb arbeiten und sich schon einmal mit der Literatur über Verkaufsgespräche beschäftigt haben, schon einmal diese Komponente eines Verkaufsgesprächs in einem Buch gefunden? Eher nein. Und habe schon viele gelesen. Sieht man sich die ganzen Verkaufsratgeber an, so wird man feststellen, dass das Thema Know-how überhaupt nicht vorkommt. Warum? Weil es mit Arbeit, ungeliebten Lerneffekten und wenig Sexyness zu tun hat? Oder weil es viel lustiger ist, den Verkäufern die 1000 geheimen Tricks des „Kunden-über-den-Tisch-Ziehens“ anzubieten? Auch wenn sie nicht wirken, teilweise sogar schädlich sind, es ist lustig zu lesen. Know-how – wie langweilig. Richtig gute Firmen legen aber in der Regel bei der Ausbildung ihrer Verkäufer besonders großen Wert darauf, dass diese mit dem richtigen Know-how zum Kunden gehen.
Zurück zur Digitalisierung. Wenn das Know-how in der alten Offline-Welt gerne unter den Tisch gekehrt wird, wer kann dann erwarten, dass die modernen Turnschuhträger-Unternehmer sich mit so etwas Ödem wie Know-how-Transport auf einer Webseite oder einem Onlineshop nur ganz ungern beschäftigen. Viel lustiger ist das die Beschäftigung mit neuen Webtechnologien, Big-Data und CRM-Systemen. Bitte nicht falsch verstehen, dies sind alle sehr wichtige Themen, aber es sind und bleiben Tools, die den Verkaufsprozess unterstützen sollen. Sie sollten nicht zum Selbstzweck und Hauptgegenstand der Diskussion werden.
In meiner Mystery-Shopping-Studie im Elektroeinzelhandel habe ich mir einen Forschungsansatz überlegt, mit dem ich messen konnte, ob der Verkäufer in der Lage war Kunden- und kontextspezifisch das richtige Know-how im Gespräch einzubauen. Ganz unwissenschaftlich formuliert: war in der Lage, den Kunden mit seinen Anforderungen richtig einzuschätzen und darauf aufbauend die richtigen Features gut zu erklären. Nachdem sich in den vorangegangenen Mystery-Shopping-Projekten schon abgezeichnet hat, dass das Know-how eine relativ große Rolle spielt, war ich wenig überrascht, dass diese Komponente eines Verkaufsgesprächs einen hohen Einfluss bei der Entscheidung des Kunden hat, dass sie aber so deutlich die anderen drei Komponenten (Persönlichkeit, Gesprächsatmosphäre, Gesprächsführung und Verkäufertricks) auf Basis eines Chi-Quadrat-Tests a so deutlich bhängen würde, hat sogar mich überrascht.
Aber eigentlich ist dies ja klar, denn niemand möchte gerne von einem sympathischen Entertainer beraten werden, der keine Ahnung von seinem Produkt hat oder gar Halbwissen und Unwahrheiten erzählt. Wenn man auf Basis dieses fehlenden Know-hows ein Produkt kauft, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man sich nur mit Grausen an den Verkäufer zurück erinnert, vor allem wenn man mit dem Produkt nicht zufrieden ist. In einem Vortrag vor zwei Jahren bei der ISPO in München gab ich genau diese Antwort auf den Hinweis eines Zuhörers, der darauf hinwies, dass Trainer immer auf die Gesprächsatmosphäre und die Verkäuferpersönlichkeit als die ausschlaggebenden Faktoren im Verkaufsgespräch hinwiesen. Was das schon? Für heute, ja. Im nächsten Beitrag in dieser Reihe steige ich in das Thema Know-how noch einmal deutlich tiefer ein. Stay tuned.
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