Welchen Sinn macht Benchmarking und wie gut nutzen Unternehmen dieses Tool? Eine empirische Untersuchung aus der Automobilindustrie.

hof_lydia_sorgeHeute möchte ich eine ganz besondere Abschlussarbeit vorstellen. Frau Sorge hat sich im Rahmen einer empirischen Untersuchung mit der Frage beschäftigt, wie gut Produktbenchmarking im Rahmen der Wettbewerberanalyse bei Unternehmen in der Automobilindustrie verankert ist und welchen Beitrag dieses Managementtool zur Optimierung der Produkte leistet. Die Komplexität der Bachelorarbeit war sehr hoch und erforderte darüber hinaus einiges an Verhandlungsgeschick, um die richtigen Ansprechpartner zu finden und diese auch noch davon zu überzeugen, dass ein Interview Sinn macht und ihnen nutzt. Ein wohlverdienter Platz in der Hall of Fame, herzlich willkommen.

Was waren die wichtigsten Inhalte/Erkenntnisse?

Das Ergebnis meiner Arbeit sind Handlungsempfehlungen für das Produktbenchmarking im Rahmen der Wettbewerbsanalyse in der Automobilindustrie. So etwas gab es bisher in dieser Form nicht und Benchmarking liegt als Management Tool stark im Kommen. Deshalb bestand bei allen Beteiligten großes Interesse.

Die Handlungsempfehlungen habe ich auf Basis von zwei Untersuchungen erstellt: Zuerst analysierte ich Literatur und aktuelle Studien zum Thema Benchmarking. Mit dieser Wissensbasis führte ich anschließend Interviews mit 23 Experten aus der Automobilindustrie. So konnte ich die Theorie mit der Realität vergleichen und praxisrelevante Handlungsempfehlungen ableiten.

Stark zusammengefasst waren die hauptsächlichen Erkenntnisse meiner Arbeit folgende: Es lohnt sich für Automotivefirmen, eine Benchmarkingabteilung oder einen Benchmarkingbeauftragten zu haben und diesen in den Grundlagen des Benchmarking zu schulen. Dafür bietet die aktuelle Fachliteratur bereits eine exzellente Basis. Benchmarkingprozesse sollten soweit wie möglich standardisiert sein, das Wissensmanagement muss funktionieren und die Akzeptanz für Benchmarking muss im Unternehmen existieren. Außerdem sollten die gewonnen Erkenntnisse auch umgesetzt werden. Hier mangelt es oft an Change Management, Akzeptanz und gelungener Kommunikation, so dass selbst interessante Erkenntnisse „im Sande verlaufen“. Funktioniert das Benchmarking aber, so wird es zum Selbstläufer: Ein erfolgreicher Benchmarkingprozess erzielt herausragende Erkenntnisse, diese werden respektiert und umgesetzt. Daraufhin nimmt die Anerkennung für Benchmarking im Unternehmen zu, was wiederum dem Benchmarkingprozess selbst dienlich ist.

Wie kam Ihnen die Idee für Ihre Arbeit?

Ich war auf der Suche nach einem praxisrelevanten, strategisch orientierten Thema, gerne aus dem technischen Bereich. Durch den Karrierenewsletter unserer Hochschule wusste ich, dass ein Geschäftsführer der Firma ECS Beratung und Service GmbH auch Dozent an der Hochschule ist, und fand die Arbeit der Firma interessant. Daraufhin habe ich die Initiative ergriffen, indem ich bei der Firma anfragte, ob Interesse an einer Zusammenarbeit für meine Bachelorarbeit besteht und die Firma einen Themenvorschlag hat. Das Thema meiner Studie haben die Geschäftsführer von ECS dann angeregt. Ich fand es spannend und habe mich entschieden, es zu bearbeiten.

Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?

Das kann ich gar nicht pauschal beantworten, da meine Arbeit sehr vielfältig war und mir auf unterschiedliche Weise viel Spaß gemacht hat. Zum einen fand ich die Literaturrecherche wirklich spannend, weil mich das Themengebiet Wettbewerbsanalyse sehr interessiert. Zum anderen hat mir die praktische und kommunikative Arbeit auch viel Freude bereitet und ich bin froh und stolz über die interessanten Begegnungen, welche ich dadurch hatte. Besonders die Besichtigung von Zerlegflächen, das sind die Hallen, in denen Wettbewerberprodukte zerlegt und analysiert werden, war sehr spannend und ich habe mich unwahrscheinlich gefreut, dass mir mehrere Automotive Firmen die Möglichkeit dazu gegeben haben.

Welche Anregungen haben Sie am meisten beeinflusst?

Besonders bereichernd waren natürlich die Experteninterviews. Die Telefonate und Treffen haben mir wichtige Einblicke für meine Arbeit und eine Menge Praxiswissen geliefert. Der Vergleich zwischen Theorie und Praxis war unheimlich interessant. Als angehende Absolventin war es zudem auch spannend für mich, einen Eindruck von so vielen verschiedenen Firmen zu gewinnen und so viele hochrangige Experten kennenzulernen.

Mit Firma oder ohne Firma geschrieben? Warum?

Für mich war von vornherein klar, dass ich in Kooperation mit einer Firma schreiben werde. Ich wollte ein praxisrelevantes Thema bearbeiten, welches anschließend auch Nutzen und Umsetzung findet und nicht im Regal verschwindet. Außerdem denke ich, dass solche Praxiserfahrung sowie die Anregungen und Kontakte, die man dadurch gewinnt, für jeden Studenten sehr wertvoll sein können. Da meine Studie Informationen bietet, die in der Praxis von hohem Wert sind, bin ich auf enormes Interesse und sehr positives Feedback gestoßen und auch jetzt noch mit vielen Interviewteilnehmern und anderen Unterstützern der Bachelorarbeit in Kontakt. Demnächst wird es sogar einen Fachartikel zu meiner Studie geben. So etwas erreichen rein theoretische Bachelorarbeiten eher selten.

Was war die größte Herausforderung bei der ganzen Arbeit? Wie haben Sie das gemeistert?

Um die Erkenntnisse meiner Literaturrecherche mit Benchmarkingprozessen in der Praxis zu vergleichen, habe ich 23 Experteninterviews geführt. Experten im Bereich Wettbewerbsanalyse und speziell Produktbenchmarking aus der deutschen Automobilindustrie zu finden, die sich Zeit für ein ca. 45-minütiges Telefoninterview oder sogar ein persönliches Treffen nehmen, war die größte Herausforderung meiner Arbeit. Zum einen musste ich potentielle Kandidaten identifizieren und diese im Anschluss dann auch überzeugen, an der Studie teilzunehmen.

Gemeistert habe ich diese Herausforderung, indem ich mir Unterstützer gesucht habe, die mir Kontakte vermitteln und mich empfehlen konnten. Dies waren Vertreter von Firmen, die Benchmarkingdienstleistungen und -software anbieten und mich mit ihren Kunden und Geschäftspartnern bekannt machten. In solchen Fällen lohnt es sich, potentielle Unterstützer durch eine Recherche zu identifizieren und dann freundlich anzuschreiben. Als Gegenleistung habe ich den Vermittlern die Ergebnisse meiner Studie zukommen lassen. Da sie großes Interesse daran hatten, haben sie mich gern unterstützt. Für mich waren diese Empfehlungen von großem Wert, da die Experten aus der Industrie deutlich eher bereit für ein Interview waren, wenn es von einem vertrauten Geschäftspartner vermittelt wurde. Die Interviewpartner erhielten als Gegenleistung ebenfalls ein White Paper mit den Ergebnissen meiner Studie.

So habe ich es letztendlich geschafft, 23 Interviews mit hochrangigen Vertretern von 17 deutschen Automobilherstellern und 1st oder 2nd Tier Zulieferern zu führen. Mit den meisten habe ich zwischen 30 und 60 Minuten telefoniert und einige habe ich besucht.

Haben Sie einen guten Tipp für gelungenes Zeitmanagement?

Man sollte sich von Beginn an realistische und klar definierte Ziele setzen und diese in einem übersichtlichen Kalender festhalten. Dann muss man sie nur noch konsequent verfolgen. Zeitpuffer sollten ebenfalls eingeplant werden, um gegebenenfalls einen Rückstand aufzuholen und nicht weiter vor sich her zu schieben.

Außerdem ist es bei einer so komplexen Studie mit vielen Beteiligten unabdingbar, alle an der Arbeit Beteiligten so zu koordinieren, dass man seinen Zeitplan erfüllen kann. Das bedeutet, die Termine mit dem Professor, den Betreuern der Firma, den Interviewpartnern usw. entsprechend zu vereinbaren und auch offen zu sagen, bis wann man Unterlagen, Rückmeldung etc. benötigt.

Wie viel Zeit haben Sie für die Bachelorarbeit insgesamt aufgewendet (in Monaten)?

Ungefähr sieben Monate. Im Februar 2013 habe ich mit der Literaturrecherche begonnen und die Struktur der Arbeit geplant. Anschließend habe ich den Interviewleitfaden erstellt und den Theorieteil der Arbeit geschrieben. Von Mai bis Juli habe ich alle Experteninterviews durchgeführt, diese im Anschluss ausgewertet und die Arbeit fertig geschrieben. Abgeben habe ich die Arbeit Ende August 2013.

Was würden Sie heute anders machen?

Nichts. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ablauf meiner Arbeit und den Ergebnissen.