Benchmarking, was für ein alter Hut. Genauso wie die generischen Grundstrategien von Porter löst bei vielen Leuten der Begriff Benchmarking ein langweiliges Gähnen aus und es fehlt deutlich die Begeisterung, die alle Managementebenen in den neunziger Jahren an den Tag legten. Ja, damals als die Methode noch jung war und wie ein Heiliger Gral in den Chefetagen herum getragen wurde. Lange ist es her, schnüff.
Gegen Ende meiner Zeit bei der Siemens AG bin ich damals auf den, noch flott fahrenden, Zug aufgesprungen und zwar mit Begeisterung. Ich konzentrierte mich zwar weniger auf das Kennzahlen- Performance-Benchmarking, sondern mehr auf das Prozess-Benchmarking, trotzdem fand ich das Potenzial der Methodik extrem sexy. Warum? Zuallererst wird einmal jedem Manager ein Spiegel vorgehalten, wie gut er wirklich sein könnte. Hat er dies verdaut und akzeptiert, so besteht immer noch die Möglichkeit, dass er die Ergebnisse in den Management-Mülleimer tritt, verbunden mit der Behauptung: das geht doch eh nicht bei uns! Beide Schritte erfordern nicht nur Selbsterkenntnis und Reflexionsvermögen, sondern auch eine gute Portion Mut, sich selber einzugestehen, dass man eben nicht immer der beste ist.
Im Rest des Beitrags werde ich das Benchmarking in das bisherige Konzept integrieren, denn es ist eine hervorragende Ergänzung zur Ableitung der Leading-Lagging-Indikatoren und der ergebnisorientierten Kennzahlen der Geschäftsprozesse. Benchmarks beantworten nämlich wirklich, ohne sich in die Tasche zu lügen, die Frage danach, wie hoch ich die Latte (die Ziele) bei den verschiedenen Spitzenkennzahlen legen muss. Je nach Mut zum Risiko gibt es 4 verschiedene Ansätze, um zu Benchmarks zu gelangen:
- die Bauchnabelschau. Man sieht sich ganz einfach die Produktivitätsfortschritte in der Vergangenheit an, extrapoliert diese in die Zukunft und erhöht den Endwert um mindestens 10-20 %. Die Gefahr, sich dabei in die Tasche zu lügen ist relativ groß, denn welcher Mitarbeiter gibt schon gerne zu, dass hier noch richtig große Reserven schlummern. Richtig herausfordernde Ziele kommen in den seltensten Fällen bei dieser Vorgehensweise heraus.
- der Chef-Auftrag. Jetzt wird es interessanter. Egal ob in der Logistik, im Controlling oder in der Entwicklung, wenn der Vorstand etwas will, funktioniert alles auf einmal viel, viel schneller. Das ist endlich mal eine richtige Herausforderung, denn wenn alle Prozesse auf einmal Chef-Auftrags-Geschwindigkeit haben, dann hat man sich wirklich verbessert. Werden Sie gleichzeitig auch noch effizienter. Bingo, nichts steht mehr der Weltherrschaft entgegen.
- der Besuch bei den Konkurrenten. Schwierige Geschichte. In der Medizintechnik war es nahezu unmöglich, an wirklich interessante Daten der Konkurrenten heranzukommen. Erstens lassen sich diese nicht gerne in die Karten schauen, zweitens begibt man sich relativ schnell in Gefahr, Gerüchte zu illegalen Absprachen mit Konkurrenten in Gang zu setzen. Und das will nun wirklich keiner. Ein Ausweg ist die Einschaltung eines Notars. Dieser hat die Verpflichtung, die Daten der Benchmarkingpartner zu sammeln und neutralisiert den anderen Teilnehmern zur Verfügung zu stellen. Dies macht natürlich nur dann Sinn, wenn man mehr als einen Konkurrenten hat und wenn man nicht absolute Zahlen angibt, sondern prozentuale Werte.
- der Besuch bei branchenfernen, richtigen Überfliegern. So toll sich dies auf den ersten Blick anhört, so sehr führt diese Vorgehensweise bei falscher Vorbereitung dazu, dass vollkommen unbrauchbare Ergebnisse aus dem Benchmarkingprojekt herauskommen. Die Kunst in der Vorbereitung, sprich in der Auswahl der Benchmarkingpartner, liegt darin, vergleichbare Firmen zu finden. Vergleichbar bedeutet in diesem Kontext die Suche nach Firmen, die Produkte mit einer ähnlichen Komplexität besitzen, vergleichbaren Marktmechanismen unvergleichbaren, globalen Herausforderungen. Nur in Ausnahmefällen macht es Sinn, von diesen Regeln abzuweichen. Es macht beispielsweise für einen Kleinserienhersteller von bildgebenden Systemen (wer’s nicht gemerkt hat, mein alter Arbeitgeber) keinen Sinn, einen Automobilhersteller zu besuchen, wenn man etwas über Werbung/Vermarktung lernen möchte. Warum? Das anteilige Marketingbudget ist viel höher, wir reden über Massenmärkte und nicht über überschaubare, aber globale Investitionsgüter-Märkte. Während die Kunden bei der Medizintechnik weltweit eine ähnliche Bedarfsstruktur hatten, so ist doch der internationale Automarkt von großen individuellen bzw. kulturellen Unterschieden geprägt. Sich dagegen mit einem Hersteller von Traktoren oder Mähdreschern zu benchmarken, macht deutlich mehr Sinn. Beides teure Investitionsgüter, globale Märkte, komplexe Kombinationen von Hard- und Software, serviceintensiv, und noch viele ähnliche Rahmenbedingungen mehr.
Hat man sich für eine ganz bestimmte Variante entschieden, so muss man sich nur noch über die Art und Weise des Benchmarking Gedanken machen. Hier gibt es ganz grob 2 verschiedene Varianten: das Kennzahlen- oder das Prozess-Benchmarking. Während bei Ersterem vor allem der Vergleich verschiedener Kennzahlen (Effizienzkennzahlen im Vertrieb, zum Beispiel Kundenkontakte pro Verkaufsberater; Jahresumsatz pro Verkäufer; Verhältnis von Verkäufern und Verwaltung, etc.) im Mittelpunkt steht, geht es bei der 2. Variante darum, die intelligentere Methode oder Vorgehensweise zu finden, mit dem man sich zu neuen Höchstleistungen empor schwingen kann (Wie werden die Mitarbeiter des Konkurrenten im Vertrieb geschult, wie werden welche Kompetenzen erzeugt, gepflegt und deren Umsetzung überwacht, Welche Loyalitätsprogramme gibt es? Wie wirkungsvoll sind die Loyalitätsprogramme?).
Wenn man sich die oben beschriebenen 4 verschiedenen Varianten genauer ansieht, so wird man feststellen dass gerade die Nummer 4 sich hervorragend für eine Kombination aus Prozess- und Kennzahlen-Benchmarking eignet, denn man konzentriert sich auf branchenübergreifende Kennzahlen, die vergleichbar sind (man konzentriert sich obendrein auf das Wesentliche) und man lernt viel aus denjenigen Problemen, die der Benchmarkingpartner schon lange gelöst hat und die man selber vielleicht noch nicht auf dem Schirm hatte. Geniales Instrument, leider nicht mehr en vogue.
Jetzt ist es aber ein doch recht langer Beitrag geworden, daher kriegen wir jetzt die Kurve zur Eingangsfragestellung: mit den Kennzahlen aus einem Benchmarking kann ich hervorragend jede ergebnisorientierte Kennzahl (die lagging-Indikatoren bzw. die Zwischenergebnisse aus den Teilprozessen) mit einer neuen Messlatte versehen und gleichzeitig die Inhalte der Prozesse einer Best-Practice-Analyse unterziehen. Was will man mehr? Weihnachten für selbstkritische Manager. Nächste Woche geht es wieder weiter, daher wie immer Stay tuned.
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