Die Entdeckung meiner eigenen Sterblichkeit…

Lange habe ich überlegt, ob ich über dieses – doch recht private – Thema überhaupt einen Blogbeitrag verfassen soll, da es doch ziemlich wenig mit Werbung, DJing, Musikproduktion und Marketing im Allgemeinen zu tun hat. Es ist ein sehr persönliches Thema, das mich intensiv beschäftigt hat. Um was es geht? Um Krebsvorsorge und die Entdeckung der Endlichkeit des eigenen Daseins. Ich möchte diesen Beitrag trotzdem – trotzdem, weil man ja über so etwas nicht gerne redet – verfassen, um vielleicht andere Vorsorge-Verweigerer zum Nachdenken zu bewegen, um auch eine Investition in ein langes, gesundes Leben zu tätigen.

Ja, ich muss zugeben, bis vor zwei Monaten gehörte ich auch noch zu Gruppe der Vorsorge-Verweigerer, obwohl zwei Kollegen an Darmkrebs erkranken. Hätte ein Warnschuss sein können. Aber der Mensch ist ja Weltmeister darin, unangenehme Dinge in eine nahe oder ferne Zukunft zu schieben und sich einzureden, es passiert immer nur anderen. Ich doch nicht, ich bin ja sportlich, rauche nicht – kurzum ich habe das ganze Register an Entschuldigungen gezogen, um mich vor der unangenehmen Entscheidung, ein paar Untersuchungen machen zu lassen, zu drücken. Ein direkter Anstoß durch meine Frau führte dann letztendlich doch dazu, dass ich bei einem Internisten einen Termin für ein Vorgespräch zu einer Darmspiegelung vereinbarte. Selbstverständlich recherchierte ich im Internet und je länger ich mich damit beschäftigte, desto mehr fing mein Unterbewusstsein an zu randalieren. Die dargebotenen Informationen waren alle sehr sachlich, aber gespickt mit Horrorszenarios (Bilder über Darmkrebs im Endstadium, Darmkrebs hat bei Männern die zweithöchste Todesrate und noch viele spannende Dinge mehr) und feuerten damit den Panikmodus meines Unterbewusstseins nachhaltig an. Ich gebe es zwar nur ungern zu, aber in das Vorgespräch ging ich mit einem furchtbar flauen Gefühl im Magen.

Auf die Frage des Internisten, wie’s mir geht, antwortete ich wahrheitsgemäß: gar nicht gut, ich hab furchtbar Schiss vor der ganzen Sache. Anscheinend hatte ich ein äußerst sozial kompetentes Exemplar der Gattung Ärzte entdeckt, er erklärte mir das ganze Prozedere und mit seiner unnachahmlich ruhigen Art versetzte er mein Unterbewusstsein wieder in den Normalbetrieb. Damit konnte ich mehr oder weniger beruhigt in den Urlaub gehen. Zusätzlich entdeckten wir in einem Nebensatz, dass wir beide Techno mögen. Ja, hoppla, wenn das kein gutes Zeichen ist. Dann erkannte er mich als den DJ-Professor und ganz Verkäufer, habe ich ihm meine Mixcloud-Links geschickt und Ihn zu meinen nächsten Gigs eingeladen. Mal sehen, ob er kommt; ich würde mich freuen.

Irgendwann war der Urlaub auch zu Ende und der eigentliche Untersuchungstermin war da. Als alter Forscher habe ich auf die Betäubung verzichtet und wollte live mit dabei sein und dem Internisten bei der Arbeit zuschauen. Fernsehen aus dem eigenen Körper, so etwas bekommt man nicht oft zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt war ich immer noch der Meinung, dass aus der Untersuchung herauskommt, dass Professor Dr. Christian Zich zu 100 % gesund ist. Dementsprechend groß war mein Schreck, als mir der Internist während der Untersuchung auf dem Bildschirm freudig drei Polypen zeigte und diese dann auch entfernte. Hat wirklich nicht wehgetan. Grosses Indianerehrenwort. In diesem Moment brach für mich eine kleine Welt zusammen, denn zwei von den beiden machten sich bereits auf den Weg in Richtung Tumor. In zehn Jahren wäre daraus Darmkrebs geworden. Gestern noch war Gesundheit für mich eine unendliche Ressource, heute wurde ich mit lustigen, kleinen, fiesen Vorstufen zum Darmkrebs konfrontiert. Was für ein Sch………!

Am Ende der der Darmspiegelung bekam ich noch das Label „Risikopatient“, verbunden mit der tollen Ansage: wir sehen uns in drei Jahren wieder. Ganz toll, das hat mir ja gerade noch gefehlt! Und damit nicht genug: wir sollten auch noch eine Magenspiegelung machen. Wird ja immer besser. Was er da wohl wieder findet? In diesem Moment schaltete mein Unterbewusstsein wieder in den Panikmodus und ich war die nächsten 14 Tage damit beschäftigt, diejenigen Vorsorgeuntersuchungen nachzuholen, die ich eigentlich schon vor 4-10 Jahren hätte machen sollen, verbunden mit Recherchen im Internet, die immer wieder neue Horrorszenarien zu Tage förderten. Seit ein paar Wochen weiß ich über Dinge Bescheid, über die eigentlich gar nicht Bescheid wissen wollte. Nach den 14 Tagen Untersuchungsmarathon zeigte sich, dass mein Unterbewusstsein vollkommen überflüssigerweise randaliert hat und die große Wahrscheinlichkeit besteht, wenigstens bis Weihnachten zu überleben. Haha. Nein Scherz beiseite: liebe Leser meines Blogs, ich habe doch vor, Ihnen noch viele Jahre auf die Nerven zu gehen. Versprochen.

Positiv an der ganzen Geschichte war aber, dass ich anfing nachzudenken, was eigentlich wirklich wichtig ist. Ich erinnerte mich oft in den letzten Wochen an die Commencement Address von Steve Jobs, die ich immer wieder gerne im Unterricht zeige, ganz besonders aber ist mir die Bedeutung der folgende Stelle wirklich klar geworden: „Remembering that you are going to die is the best way I know to avoid the trap of thinking you have something to lose. You are already naked. There is no reason not to follow your heart.“ Recht hatte er. Ich fing an auszusortieren und stellte fest, dass auf einmal viele Jobs, Aufgaben und Angebote nicht mehr so toll waren, sondern reine Zeitfresser, die ich schleunigst loswerden wollte und auch werde. Und andere Angebote, auch wenn sie noch so verlockend sind, werde ich leichten Herzens ablehnen. Meine Professur dagegen, immer wieder die gleiche Erkenntnis: ein toller Job, bleib ich dabei. Liebe Studierende: auch euch werde ich noch ein paar Jahre auf die Nerven gehen. Auch versprochen.

Während des letzten Meilensteins bei der ganzen Untersuchungsrunden gab mir eine Ärztin eine wirklich ganz spannende Interpretation mit auf den Weg: Herr Zich, seien Sie froh, dass der Internist die drei Polypen rechtzeitig entdeckt hat und entfernt hat, bevor sie gefährlich werden können, er hat ihnen einen Denkanstoß mitgegeben. Einen Denkanstoß, um die eigene Lebensweisen zu verändern (ja, da habe ich in den letzten zwei Monaten viel verändert), um mehr für den eigenen Organismus zu tun (soviel Sport wie in den letzten zwei Monaten habe ich schon lange nicht mehr gemacht) und damit in Summe mehr Lebensqualität zu erhalten. Sie hatte recht, bis zu diesem Zeitpunkt – das ist der große Nachteil meiner kreativen Ader – habe ich alle möglichen Horror-Szenarios entwickelt und dabei vollkommen vergessen, dass die rechtzeitige Erkennung der oben genannten Krebsformen den Grundstock für ein längeres Leben bietet. Oder ganz einfach: vor drei Wochen noch gefährdet, jetzt wieder mit größeren Chancen steinalt zu werden. Na, wenn das keine Ansage ist.

Und jetzt kriegen wir wieder die Kurve zu den eigentlichen Themen meines Blogs. Ich werde mir den Spaß gönnen und in den nächsten Wochen mit vielen Freunden und Bekannten einige Tiefeninterviews zu den oben genannten Themen zu führen, um herauszufinden, wie sie zu den Themen stehen und auf Basis dieser Ergebnisse die ganzen Werbungen und Informationsportale einmal genauer unter die Lupe nehmen, inwieweit sie in der Lage sind, Adressaten zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, eben zur Vorsorge zu gehen. Ich konzentriere mich auf die Zielgruppe Männer, denn erstens gehöre ich selber dazu, gleichzeitig nehmen sie die Angebote zur Krebsvorsorge nur in geringem Maße war. Ich bin bei meiner eigenen Informationssuche über so viele peinliche, teilweise schreckliche und wenig überzeugende Videos, Dokumente, etc. gestolpert, die eher dazu dienen, den unentschiedenen Adressaten im besten Falle verstört zurück zu lassen, im schlimmsten Falle so zu erschrecken, dass er mental das Weite sucht.

Ich werde diesen Case auch in meinem Buch verarbeiten, denn man kann hier sehr viele Elemente erkennen, die eine richtig interessante Herausforderung für jeden Marketer darstellen.

Bevor wieder mein Standardspruch kommt, nochmal die Aufforderung: Liebe Leser meines Blogs, die Untersuchungen sind Peanuts im Vergleich zu einer Chemotherapie, einer größeren OP oder gar den Tod. Klar soweit?
Stay tuned.

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