Der Vergleich von Erwartungen und Erfahrungen. Warum man als Marketer bei der Freigabe einer Kreatividee nie die Phase nach dem Kauf aus den Augen verlieren sollte. Teil 4: HelloFresh, Kano und die Kundenloyalität.

Lang, lang ist es her, dass ich die Artikelserie über HelloFresh angefangen habe. Warum es nicht weitergegangen ist? Übliche Entschuldigung, der VHB-Kurs. Aber gestern habe ich angefangen, die Überarbeitung meines letzten Marketingbuchs zu starten und da nimmt HelloFresh einen großen Raum ein. Also schlagen wir 2 Fliegen mit einer Klappe und machen da weiter, wo wir letztes Jahr im November aufgehört haben. Im letzten Beitrag haben wir uns kurz mit der Loyalität der HelloFresh-Kunden beschäftigtLogo von Professor Dr. Christian Zich. Hier werden Teile und Erweiterungen aus dem Buch des Autors, das Marketing 4.0 Praxisbuch, vorgestellt., die mit 17 % relativ niedrig ist. Woran könnte dies liegen? Ziehen wir doch zu Ursachensuche das altbekannte Kano-Modell heran. Der Erfinder, Noriaki Kano, beschreibt einen einfachen und logischen Zusammenhang zwischen dem Grad der Erfüllung von Kundenwünschen und der erwarteten Zufriedenheit der Kunden (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kano-Modell). Geht man noch einen Schritt weiter, so hat man mit dem Kano-Modell durchaus einen Ansatzpunkt, um Kundenloyalität gleich mit zu erklären: ein unzufriedener Kunde wird, wenn er die Wahlmöglichkeit hat, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wieder dasselbe Produkt/dieselbe Marke kaufen.

Daher versuchen viele Firmen die Möglichkeit des Wechsels kreativ einzudämmen. Beispielsweise ist der Anbieterwechsel bei einer CRM-Software theoretisch möglich, aber die meisten Firmen scheuen den Schulungsaufwand und die Belastung der eigenen Organisation, sodass dies in der Praxis sehr selten geschieht. Ein weiteres Beispiel ist die Firma Apple, deren Kunden umso loyaler werden je größer der Anteil der Geräte aus dem gleichen Haus und die Höhe der Investitionen in gekaufte Apps. HelloFresh hat diese Möglichkeiten nicht, wobei die Firma versucht, über das Abo-Modell die Kunden längerfristig an sich zu binden. Prinzipiell kann sich jeder Kunde relativ schnell verabschieden. Steigen wir also in die Analyse des Kano-Modells ein. Kano unterscheidet verschiedene Merkmale, die einen unterschiedlichen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben, diese wollen wir folgenden kurz betrachten:

Leistungs- und Begeisterungsmerkmale

Sie sind dem Kunden bewusst, schaffen in der Regel Zufriedenheit. Im Idealfalle begeistern sie sogar den Kunden, weil er entweder nicht damit rechnet oder weil sie einen sehr hohen Nutzen für ihn haben. Gerade die Begeisterungsmerkmale können nachhaltig Wettbewerbsvorteile generieren. Gerade in der Werbung wird mit diesen beiden Merkmalen sehr stark gearbeitet, denn sie sollen ja diejenigen Gründe liefern, mit der Kunde kauft. Wie immer ist dies eine Gratwanderung, denn wenn man zu sehr übertreibt und die Erwartungen richtig anheizt, dann ist die Wahrscheinlichkeit einer Enttäuschung nicht gerade gering. Nun zu HelloFresh. Überprüfen wir doch kurz, ob die Versprechen auch wirklich eingehalten werden, indem wir die Quellen aus dem vorangegangenen Artikel noch einmal bemühen. Die Tester waren überwiegend von der Qualität der Gerichte angetan, sie ließen sich schnell kochen, auch ohne vertiefte Kochkenntnisse. Die Zeitersparnis durch den Wegfall der Suche nach Rezepten und des Einkaufsprozesses stellt sich automatisch durch das Konzept ein. Die Gerichte selbst sind teilweise sehr interessant, exotisch und kreativ, dies wird von den Testern sehr oft positiv vermerkt. Dies kann also nicht der Grund für die fehlende Kundenloyalität sein. Wenden wir uns daher einer gern vergessenen Kategorie, den Basismerkmalen zu.

Basismerkmale

Darunter werden diejenigen Merkmale eines Produktes verstanden, die der Kunde als selbstverständlich voraussetzt. Sie erzeugen keine Zufriedenheit, lösen aber Unzufriedenheit aus, wenn sie fehlen bzw. nicht in dem Maße erfüllt werden, wie der Kunde dies als Standard voraussetzt. Unausgesprochen werden die meisten Kunden eine gewisse Vielfalt an verschiedenen Produkten über den Zeitablauf hinweg voraussetzen. Leider wiederholte sich, zu mindestens war dies bei uns so (fleischlose Gerichte), nach relativ kurzer Zeit der Zyklus an Produkten. Es ist ja nicht so, dass man ein paar Euro für einen Döner ausgibt, sondern ein Abonnement für eine Familie schlägt sich auch mit bis zu 90 € pro Woche nieder. Für diesen Betrag würde ich eine deutlich abwechslungsreichere Menüauswahl erwarten. Bei der Dönerbude habe ich eine ganz andere Erwartungshaltung, hier gibt es eben nur Döner.

Oft wird auch kritisiert, dass das Produktangebot eher auf Erwachsene und weniger auf Kinder ausgerichtet ist. Selbst wenn die Erwachsenen mit den Rezepten zufrieden sind, langfristig hat das Konzept keine Zukunft, wenn die Kinder diese rundherum ablehnen (https://www.kassenzone.de/2018/01/18/hellofresh-updates-was-sagen-die-kunden-dazu/, Zugriff 15. August 2018 und Christian Zich.com, Zugriff XYZ).

Bis auf vereinzelte Stimmen im Internet (https://www.kassenzone.de/2018/01/18/hellofresh-updates-was-sagen-die-kunden-dazu/, Zugriff 15. August 2018) scheinen Logistik, Zahlungsmodalitäten und die Frische der Ware in Ordnung zu sein. Bei unseren Kindern wurde HelloFresh in gewisser Weise zum Unwort des Jahres erklärt. Diese beiden Aspekte zeigten eine mögliche Ursache für die Unzufriedenheit und damit die fehlende Loyalität der Kunden auf. Leider werden zu oft die Basismerkmale von den Produktentwicklern vergessen, weil sie eben so selbstverständlich sind. Die Analyse der Basismerkmale zeigte ein gespaltenes Bild, wobei der geringe Abwechslungsreichtum schon ein gewichtiger Einflussfaktor auf die Kundenzufriedenheit und damit auch die Kundenloyalität ist.

Ein Basismerkmal ist auch die korrekte Abwicklung des Zahlungsverkehrs nach einer Kündigung bzw die Akzeptanz einer Kündigung durch die Mitarbeiter. Hier scheint doch einiges im Argen zu liegen. Viele Kunden kritisieren nämlich, dass trotz einer Kündigung oder Unterbrechung des Abonnements weiterhin Kochboxen geliefert werden, Abrechnungen weiterhin laufen und penetrante Mitarbeiter immer wieder anrufen, ob man nicht doch noch etwas bestellen möge (siehe die Bewertungen auf https://ch.trustpilot.com/review/hellofresh.de und https://www.kochboxchecker.de/hellofresh/#erfahrungen, beide Zugriff 16. 4. 2019).

Interessant wird auch die Analyse der Rückweisungsmerkmale, dazu aber mehr im nächsten Beitrag dieser Reihe. Vor Ostern gibt es aber noch einen kleinen Ausflug in die Hall of Fame. Nach Ostern geht es mit dem letzten Teil dieses Artikels weiter. Stay tuned.

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