Marketing 4.0, oder wie man aus einer Worthülse einen interessanten Ansatz macht. Teil 2

#marketing40Letztes Mal habe ich mit ein paar Gedanken über Interaktionen im Internetzeitalter aufgehört. Zum Ausklang der Woche gibt es eine Art vorgezogenen Adventskalender und ich entferne das erste Fragezeichen.

Ein Blick auf das Diagramm zeigt, dass ich persönlich der Meinung bin, das der größte Sprung für das Marketing endlich die Integration des Kundenverhaltens in alle methodischen Diskussionen sein wird. Der eine oder andere wird jetzt vielleicht einwenden, dass gerade in der angloamerikanischen Marketingliteratur die Kundenpsychologie schon länger ein Thema ist und inzwischen sogar die deutschen Marketingprofessoren entdeckt haben, dass man sich mit diesem Thema vielleicht beschäftigen sollte. Ein alter Hut also? Eindeutig nein!

Der Sprung nach vorn im Marketing 4.0: Verhaltensorientierung über die deskriptive Darstellung hinaus

Ich muss nur eine einzige Frage stellen, um die vielen weißen Flecken auf der methodischen Landkarte zu identifizieren. Dazu ein einfaches Beispiel, das mir neulich bei der Vorbereitung auf den Unterricht über den Weg gelaufen ist. Thema war die Behandlung derjenigen Entscheidungen, die ein Kunde trifft, nachdem er ein Bedürfnis entdeckt hat und sich nun für eine Alternative entscheiden muss. Ein schönes, sehr langes Kapitel in einem meiner Lieblingsbücher, Blackwell/MIniard/Engel: Consumer Behavior. Dort sind ausführlich die verschiedenen Mechanismen und Theorien beschrieben, die im Kopf eines Kunden ablaufen (können), wenn er überlegt, welches Objekt am besten zur Erfüllung seiner Wünsche bzw. zur Lösung seiner Probleme geeignet ist. Man findet auch in anderen deutschen Büchern ähnliche Ausführungen zum gleichen Thema. Doch schon alles gesagt? Und auch noch relativ oft?

Ein ganz deutliches Nein, denn fast alle Autoren hören mit ihren Überlegungen dann auf, wenn es wirklich anfängt spannend zu werden, bei der Beantwortung der Frage „Wie kann ich diese Erkenntnisse jetzt in einem Verkaufsgespräch, beim Design einer Webseite oder in einer Werbung wirklich einsetzen?“. Nachdem dies die wichtigste Zielsetzung für mein Buch ist, habe ich mich durchaus dabei ertappt, dass ich die Antwort auch nicht auf Anhieb parat hatte.

Ich habe mir die Frage gestellt, wie ich diese Erkenntnisse wirklich in einem Verkaufsgespräch oder beim Design eines Onlineshops anwenden kann. Die Ergebnisse waren recht spannend und ich habe sie gleich in meinem aktuellen Fragebogen, der ab heute online geht verarbeitet. Ich möchte an dieser Stelle nicht tief in die Theorie einsteigen aber ich denke, ein kurzer Blick in die Blackbox hinein verdeutlicht die Überlegungen zur Verhaltensorientierung im Marketing 4.0.

Zentraler Punkt der Alternativenbewertung ist eine Entscheidungsmatrix, die sich ein Kunde mehr oder weniger formal zusammenbastelt. Diese stellt verschiedene Produktalternativen anhand von Bewertungskriterien einander gegenüber. Wenn man zum Beispiel ein Auto kaufen möchte, dann hat man verschiedene Modelle im Kopf und diese werden dann anhand der definierten Kriterien miteinander verglichen: welche Motorisierung, wieviel Platz, welche Ausstattungspakete, und vieles mehr. Selbstverständlich macht sich kaum einer die Mühe und baut diese Entscheidungsmatrix formal auf, aber als Modell ist sie hervorragend geeignet. Jetzt kommt die spannende Frage: was nützt mir diese Erkenntnis um ein Verkaufsgespräch oder einen Onlineshop optimal zu designen? Eigentlich klar, im Verkaufsgespräch muss ich den Kunden davon überzeugen, dass er eventuell die Priorisierung seiner Entscheidungskriterien verändern muss, um sich für mein Produkt zu entscheiden.

Dies bedingt natürlich, dass ich mit entsprechenden Fragetechniken herausfinde, warum er welche Prioritätenreihenfolge hat. Interessanterweise habe ich einige gute Bücher über die richtigen Fragetechniken, die ich auch in meiner vertrieblichen Vergangenheit in der Praxis erfolgreich angewendet habe, aber die eben beschriebene Erkenntnis noch nie wirklich in einem Verkaufsratgeber gefunden habe. Der einzige Ansatz, den ich im Verlauf der letzten Jahre gefunden habe, der in diese Richtung geht, ist der Yale-Ansatz zur Einstellungsänderung. Hier wurde erforscht, unter welchen Rahmenbedingungen Werbung wirkt.

Jetzt ist aber Werbung nur ein klitzekleiner Teil und die Welt des Marketing ist so riesengroß. Es gibt noch viel zu tun, aber ich habe ja den Anspruch, die 200 Seiten in meinem Buch sinnvoll zu füllen und wirklich genau diesen Link zwischen den Erkenntnissen aus der Psychologie und deren Anwendung im tagtäglichen Marketinggeschäft aufzuzeigen. Spannend was man selber dabei lernt.

Auch jetzt ist es wieder so richtig schön und deswegen hören wir jetzt wieder auf. Nächste Woche gibt es dann den Teil drei.

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