Die Meilensteine auf dem Weg zum Untergang, der #Ernsthaftigkeitsverlust.

Hochschule 4.0: wo geht die Reise hin?Den letzten Beitrag habe ich unter dem Eindruck einer nicht besonders gut ausgefallenen Klausur geschrieben und war sehr überrascht darüber, welches Echo er in den sozialen Netzwerken ausgelöst hat. Bis jetzt bin ich die Erklärung schuldig geblieben, jetzt gibt es den ersten Versuch einer Erklärung. Meiner Meinung nach haben die Studierenden in den ersten Semester einen Ernsthaftigkeitsverlust. Woran mache ich dies fest? Erstens anhand folgender Erlebnisse mit demjenigen Kurs, der die Klausur verfasst hat:

  • Die Frage eines Studenten in der letzten Stunde, ob man denn die Fachausdrücke wirklich können müsste. Tja, ist nun mal so, tut mir aufrichtig leid.
  • Während einer Vorlesung wurde ein Student so müde, dass er seinen Kopf auf den Tisch bettete und drauf und dran war, ein kleines Schläfchen zu halten. Mein Hinweis, dass zu Hause ein gemütliches Bett warten würde und er doch viel besser dahin gehöre, quittierte er den Rest der Stunde mit saurer Miene und leisem Gemaule.
  • Nachdem die Freitagsvorlesung sowieso immer sehr dünn besucht war (meine Vorlesung war die einzige an diesem Tag und viel zu früh, um 9:45 Uhr), ist mir ein Student besonders aufgefallen, der – wenn er überhaupt kam – immer ca. 20 Minuten vor Ende der Vorlesung aufstand und ging. Auf eine Bemerkung von mir erklärte er, dass er jetzt zum Bus müsse. Wahrscheinlich hätte ich froh sein sollen, dass er überhaupt da war. Ich wäre ganz zu Hause geblieben anstatt nur 2/3 der Vorlesung mitzubekommen.
  • In der letzten Stunde vor der Klausur waren gerade eben mal 10 Studierende da. Während meines Studiums war die Bude voll, weil jeder nach geheimen Botschaften zur Klausur suchte, die der Dozent in seine Ausführungen verstecken könnte. Während an der LMU dies ein aussichtsloses Unterfangen war und man keine Fragen stellen konnte, so sieht doch die Situation an einer Fachhochschule ganz anders aus. Man könnte die eine oder andere Verständnisfrage stellen, man könnte einige offene Punkte klären. Genau dies haben die Anwesenden ganz geschickt gemacht, indem sie eine Checkliste ausgepackt haben, die ich während der Vorlesung verteilt habe und mich gebeten haben, anhand einer Werbung diese anzuwenden. Diese Werbung habe ich dann auch als Fallbeispiel in der Klausur verwendet. Es hätte sich also gelohnt. Aber wenn man lieber im Bett bleibt …

Tja, da steht man nun als Dozent und wundert sich. Aber wahrscheinlich erklärt sich die geringe Anwesenheitsquote durch mein Handyverbot. Zum ersten mal habe ich am Anfang der Vorlesung klar gesagt: Handys aus! Wenn ich nicht meine virtuellen Freunde bespassen kann, dann muss ich ja vielleicht aufpassen, das macht aber keinen Spaß, wie der müde Student unter Beweis gestellt hat. Darüber hinaus habe ich auch in den letzten Jahren einen immer stärkeren Trend dahingehend festgestellt, dass der Anteil der Studierenden immer größer wird, die eigentlich nur gerne den Titel hätten, ansonsten aber am liebsten vollkommen unbelastet von irgendwelchen Wissen durch das ganze Studium gehen wollen. Die Nachweise finden sich vor jeder Prüfungsphase in Jodel:

  • Zuhauf gibt es Nachfragen, wie denn der Einschreibeschlüssel für bestimmte Fächer in unserer elektronischen Lernplattform lautet. Was haben diese Studenten eigentlich den Rest des Semesters gemacht?
  • Der Anteil der Jammerlappen wird immer größer, am besten hat mir der folgende Spruch gefallen: du merkst, dass Prüfungszeit ist, wenn du gar nicht so viel trinken kannst, wie du weinen musst. Wenigstens ein Jodler hat diese Woche vermerkt, man möge doch aufhören zu jammern, sich hinsetzen und lernen.
  • Interessant sind auch die sinnigen Sprüche, die den Beginn der Lernphase zwei Tage vor der Klausur zu einer besonderen Leistung hoch stilisieren.
  • Oft wird auch nach Ärzten gefragt, die rückwirkend oder relativ problemlos Atteste ausstellen, um von der Prüfung zurückzutreten.

Deswegen liebe ich Jodel, denn dieses soziale Netzwerk gibt einen herrlichen Einblick in die menschliche Psyche, ganz besonders in die der Studierenden. Zwei Meilensteine gibt es noch. Stay tuned.

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